Aktuelles / Notizen

23.10.2015

Aufgabe der Kirche


Ein Podium in Hallau

Das Podium im «Gemeindehaus» in Hallau: der Kirchenratspräsident und reformierte Pfarrer Frieder Tramer (links), der katholische Pfarrer Hans Zünd, Regierungsrat Christian Amsler und der Hallauer Pfarrer Matthias Gafner, Moderator. Bild Michael Kessler

«Die Aufgabe der Kirche in der Gesellschaft» war Thema des ersten Abends einer Veranstaltungsreihe zum Thema «Angenommensein».

Von Alfred Wüger, Schaffhauser Nachrichten

Rund 80 Personen fanden sich am Mittwochabend im Saal des Restaurants Gemeindehaus in Hallau ein, um der Podiumsdiskussion unter dem ­Titel «Angenommen» beizuwohnen. Diese bildete den Auftakt zu einer Reihe von ökumenischen Veranstaltungen zum Thema «Einander annehmen», die initiiert wurde vom Hallauer Pfarrer Matthias Gafner, der als ­Moderator wirkte und Regierungsrat Christian Amsler, Kirchenratspräsident Frieder Tramer und den katholischen Pfarrer Hans Zünd begrüsste. Die Frage, um die es ging und die ­Matthias Gafner in seinen Begrüssungsworten umriss, lautete: «Was ist die Hauptaufgabe der Kirche?»

Das Evangelium näherbringen

Christian Amsler sagte in seiner Begrüssungsansprache: «Wenn ich hier gefragt werde, was die Haupt­aufgabe der Kirche sei, dann sage ich: den Menschen das Evangelium näherzubringen.» Eine weltlichere Aufgabe der Kirche sei es, die Menschen zusammenzubringen, bei Festen, durch die diakonische Arbeit, die religiöse Bildung sowie durch die Seelsorge. «Alle vierzehn Tage besuche ich die Kirche. Jedes Mal wenn der Kantonsrat tagt, nehme ich davor am Morgen an der Andacht in der St.-Anna-Kapelle teil.» Dann zitierte er Theodor Roosevelt: «Tu, was du kannst, mit dem, was du hast, dort, wo du bist.»

Wenn man von Kirche spreche, spreche man weniger von der Institution, sagte Frieder Tramer in seinem Referat, sondern in erster Linie von den Menschen, die in der Kirchgemeinde ­aktiv seien. «Die Aufgabe der Kirche sehe ich darin, Zeugnis zu geben von dem, was Jesus gelebt und gesagt hat. Das heisst: Dies selber leben, selber ­sagen und bedenken.» Jesus habe eine völlig eigene Sicht auf Gott und die Welt gehabt und sei in einer starken Spannung zu dem, was die Allgemeinheit lebte, gestanden. «Ich habe den starken Verdacht, dass wir, wenn wir als Christinnen und Christen das, was Jesus lebte und sagte, ernst nehmen wollen, nicht darum herumkommen, auch in unserer Zeit ständig in einer Spannung zu leben zu dem, was in unserer Gesellschaft selbstverständlich ist.» Christen müssten kraftvoll wie Salz sein. Jesus habe das Leben nicht als Verdienst, sondern als Geschenk aufgefasst, das man dankbar geniessen könne. Wir dürften daher unsere Arbeitskraft und unseren Verstand geniessen. Das sei eine Form von Dankbarkeit für das Geschenk des Lebens. Frieder Tramer nannte den Sonntag ein Symbol dessen, dass uns Kraft geschenkt werde, und sagte, am Abendmahlstisch könne man nur satt und zufrieden sein, wenn alle satt und zufrieden sein könnten. In dieser Aussage könne man durchaus eine politische Aufgabe erkennen. «In unserem christlichen Verständnis des Lebens ist Reichtum kein Verdienst, sondern eine Verpflichtung.»

Der katholische Pfarrer Hans Zünd, der 30 Jahre seines Lebens als Ingenieur tätig war, bevor er Seelsorger wurde, widmete sich in seinen Ausführungen der Frage «Was würde in der Gesellschaft fehlen, wenn es die Kirche nicht gäbe? Würde überhaupt etwas fehlen?». Er beantwortete sie so: «Es würde fehlen das Wort, von dem, der alles hat werden lassen, was ist. Was uns fehlen würde, wäre die gesammelte Lebenserfahrung von Generationen in der Auseinandersetzung mit Gott.» Es würden auch warnende Stimmen fehlen sowie die selbstlose Liebe, die in freiwilligen Diensten in die Welt einfliessen.

Bereits nach diesen Voten war völlig klar, dass die Kirche sich zur Politik explizit zu äussern habe, eine Meinung, die auch Erziehungsdirektor Christian Amsler zu bedenken gab, indem er sagte: «Ich empfinde die Pfarrpersonen als manchmal sehr zurückhaltend. Politik ist Leben, und Kirche ist Leben, und beide sollen zum Wohl der Menschen zusammenarbeiten.» Dies sagte er in der rege geführten Diskussion mit dem Publikum, aus dessen Reihen dann die Stimme von Robert Rahm kam, der meinte: «Der Herr Regierungsrat hat auch fast wie ein Pfarrer gesprochen.»

Der Mehrwert der Kirche

Ein junger Mann wollte wissen, was denn der Mehrwert der Kirche sei, denn Gemeinschaft und Zusammensein würden schliesslich auch der Boxclub und die Pfadfinder anbieten, und fragte: «Was ist das Besondere der ­Kirche für den Einzelnen?»

Hans Zünd sagte, zuerst käme das Zuhören, dann das Gespräch und das gemeinsame Beten. «Wir sind keine Psychologen», sagte Hans Zünd, «und daher auch nicht deren Konkurrenz.» Etwas, was die Kirche auszeichne, sei, dass sie andere Menschen zu befähigen suche, selber seelsorgerliche Gespräche zu führen. «Wir alle sind die Kirche.» Und Frieder Tramer ergänzte: «Die Kirche ist den Menschen schuldig, ihnen zu vermitteln, dass sie angenommen, von Gott angenommen sind und dass nicht zuerst eine Leistung kommt, sondern dieses Angenommensein. Die Woche beginnt mit dem Sonntag, der kraftspendenden Pause.»

«Christen kommen nicht darum herum, in einer Spannung zu leben zu dem, was als selbstverständlich gilt.»

Frieder Tramer, Pfarrer und Kirchenratspräsident

Nachgefragt > «Ein Podium mit Power und Zulauf»

Matthias Gafner ist Pfarrer in Hallau. Wir fragten ihn, wie die Veranstaltungsreihe unter dem Titel «Angenommen – Ökumenische Veranstaltungen zum Thema ‹Einander annehmen›» zustande kam.

Wer hatte die Idee zu diesem Abend?

Matthias Gafner: Die hatte ich. Wir wollten, dass die Erwachsenenbildungsreihe, die unter einem schlechten Besuch gelitten hatte, durch eine attraktive Veranstaltung Power und Zulauf bekommt. Wir fanden, dass ein solch hochkarätig besetztes Podium ein guter Weg dazu sei.

Haben Sie gespürt, dass es da ein Bedürfnis gab?

Matthias Gafner: Nach der Strukturreform in der reformierten Kirche im Kanton Schaffhausen erachteten wir es als notwendig, uns wieder inhalt­lichen Fragen zuzuwenden. Wofür sind wir als Kirche da, was ist unsere Aufgabe? Das sollte der heutige erste Abend der Reihe thematisieren.

Worum geht es an den anderen Abenden?

Matthias Gafner: An diesen Veranstaltungen werden mehr einzelne Interessengruppen angesprochen sein. Der Pfarrer und Paartherapeut Hans-Peter Dür kommt und thematisiert das ­Einander-Annehmen in der Partnerschaft. Den Abschluss bildet dann ein Film zum Thema «Kinder mit Down­syndrom». Die anderen Veranstaltungen finden statt am 29. Oktober und am
3. November in der Sonnmatt in ­Wilchingen, am 10. November im Pfarrhaussäli in Neunkirch und am 17. November im Pfarrhaussaal Hallau.

Interview: Alfred Wüger