Aktuelles / Notizen

10.11.2015

Lehrplan 21 bleibt beim Erziehungsrat


Kantonsratsdebatte

So fundamental sei der Lehrplan 21, dass der Kantonsrat darüber entscheiden müsse. Dies forderte der rechtsbürgerliche Block. Durchgekommen ist er damit aber nicht. Jetzt hofft er auf das Volk.

von Zeno Geisseler, Redaktor Schaffhauser Nachrichten

Der Lehrplan 21 ist in vielen Kantonen umstritten, in Schaffhausen ist die ­Diskussion aber besonders pikant: ­Regierungsrat Christian Amsler ist als Präsident der Erziehungsdirektorenkonferenz der Deutschschweizer Kantone (D-EDK) quasi der Vater dieses Vorhabens, das für so viele rote Köpfe sorgt. 2012, als er zum Präsidenten der D-EDK gewählt wurde, sagte Amsler von sich, er sei «Mister Lehrplan 21» geworden. Und schon damals machte er klar, dass er mit diesem Vorhaben wohl nicht nur auf Gegenliebe stossen werde. Er sollte recht behalten, und wie: In rund der Hälfte der Kantone gibt es massiven Widerstand, in mehreren wird sogar das Volk entscheiden: Zuletzt ist erst vor wenigen Tagen im Thurgau eine Volksinitiative eingereicht worden.

Gestern nun war das Grossprojekt (siehe Kasten) im Schaffhauser ­Kantonsrat traktandiert. Erwin Sutter (EDU, Schaffhausen) verlangte per ­Motion, dass der Kantonsrat den Lehrplan 21 genehmigen solle. Diese Kompetenz liegt derzeit bei dem Erziehungsrat, einem elfköpfigen Expertengremium, und dieses hat bereits entschieden, dass der Lehrplan 21 auf das Schuljahr 2018/19 in Schaffhausen ­eingeführt werden soll. Per Postulat verlangte Sutter zudem, dass die ­Einführung des Lehrplans 21 so lange aufzuschieben sei, bis klar sei, wer entscheiden könne.

Von zwei auf 40 Seiten

«In fünf Kantonen sind Volksinitiativen zustande gekommen», sagte ­Sutter, «es gibt zunehmenden Widerstand von Lehrern, Eltern und Parteien. Diese Bewegung kann nicht einfach ­ignoriert werden.» Der Lehrplan 21 schiesse weit über das Ziel hinaus, argumentierte er, und er brachte dazu ein Beispiel aus dem Fächerkreis Geschichte, Geografie und Naturkunde: «Im Lehrplan 1983 gab es zu den ­Realien 18 konkrete Lernziele auf zwei Seiten. Im Lehrplan 2001, in dem jetzt ­aktuellen, hat das Fach ‹Mensch und Mitwelt› 65 konkrete Lernziele auf 20 Seiten. Im Lehrplan 21 gibt es zu ‹Natur, Mensch, Gesellschaft› 221 Kompetenzen auf 40 Seiten.»

Der Erziehungsrat stehe unter massivem Druck, den Lehrplan einzuführen. Er habe gar keine andere Wahl. Der Kantonsrat aber werde eine unabhängigere Entscheidung fällen können. Regierungsrat Amsler hielt dagegen, dass der Lehrplan in allen Kantonen ausnahmslos entweder durch die ­Exekutive oder durch einen Erziehungsrat genehmigt werde. Im Übrigen sei die Krux des Lehrplans 21, dass dieser viel mehr Kritiker als Leser habe – Amsler nahm dabei das Schaffhauser Kantonsparlament ausdrücklich aus. Zudem sei der Lehrplan 21 keineswegs hinter verschlossenen Türen erstellt worden. «Kein anderes Projekt ging durch so viele Anhörungs- und Konsultationsrunden», sagte Amsler.

Initiative auch in Schaffhausen

Die Schaffhauser Gegner des Lehrplans 21 haben sich aber nicht nur parlamentarisch organisiert: Seit Oktober werden Unterschriften für eine Volksinitiative «Lehrpläne vors Volk!» gesammelt. Genau dieses zweigleisige Vorgehen sorgte im Kantonsrat für Kritik. Werner Bächtold (SP, Schaffhausen) sagte, eigentlich habe er von Sutter erwartet, dass dieser seine im März eingereichten Vorstösse zurückziehe, da ja nun auch die Volksinitiative laufe. Die SP/Juso-Fraktion werde die beiden Vorstösse geschlossen ablehnen. Jürg Tanner (SP, Schaffhausen) doppelte nach: «Sind Sie noch bei Trost? Ich weiss ja nicht, wie Sie ein Vorbild sein sollen für unsere Jugend, wenn Sie solchen Schabernack produzieren.» Auch die FDP-JF-CVP-Fraktion machte klar, dass sie Sutters Pläne durchkreuzen werde. Mit dieser Konstellation, Links und fast geschlossene Mitte gegen fast geschlossene Rechte, war das Schicksal der sutterschen Vorstösse besiegelt: Beide wurden deutlich abgelehnt. Wegen der Initiative dürfte nun voraussichtlich das Volk das letzte Wort haben.

«Es gibt zunehmenden Widerstand gegen den Lehrplan 21 von Lehrern, Eltern und Parteien. Diese Bewegung kann nicht einfach ignoriert werden.» Erwin Sutter Kantonsrat (EDU, Schaffhausen)

Lehrplan 21 Darum geht es

Was ist ein Lehrplan? Ein Lehrplan ist ein Planungsinstrument für Lehrpersonen, Schulen und ­Bildungsbehörden.

21 Kantone Bis jetzt haben die Kantone ihre Lehrpläne für die Volksschule individuell ausgearbeitet. Der Lehrplan 21 ist der erste gemeinsame Lehrplan für die 21 deutsch- und mehrsprachigen Kantone.

Zeitplan Die beiden Basel haben den Lehrplan 21 bereits eingeführt, 12 weitere Kantone sollen per 2017/18 folgen, 4 per 2018/19 (darunter Schaffhausen), 2 per 19/20, 1 2020/21.