Aktuelles / Notizen

30.12.2015

Publikation BfS


zum Studium in Geisteswissenschaften

Die berufliche Situation von Absolventinnen und Absolventen der Geistes-, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften universitärer Hochschulen

Angesichts gestiegener Absolventenzahlen innerhalb geistes- und sozialwissenschaftlicher Disziplinen im vergangenen Jahrzehnt stellt sich aus bildungs- und arbeitsmarktpolitischer Sicht die Frage, in welchem Ausmass und in welcher Art diese hoch qualifizierten Arbeitskräfte vom Arbeitsmarkt absorbiert wurden. In der vorliegenden Publikation wird der Zusammenhang zwischen der Anzahl Absolvent/innen der Geistes- und Sozialwissenschaften und dem Aufnahmepotenzial des Beschäftigungssystems innerhalb des Beobachtungszeitraums von 2002 bis 2013 untersucht. Zur Beurteilung der Absorption von Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen seitens des Arbeitsmarkts wurden Absolvent/innen der Wirtschaftswissenschaften als Vergleichsbasis gewählt, weil diese ein vergleichbares Wachstum an Abschlüssen aufwiesen.

(1) Für die Beschreibung des Aufnahmepotenzials des Arbeitsmarktes wurden die Anteile erwerbsloser und überqualifiziert erwerbstätiger Absolvent/innen herangezogen. Als überqualifiziert erwerbstätig werden Absolvent/ innen erachtet, wenn deren Erwerbstätigkeit keinen Hochschulabschluss voraussetzte.

1 Es wurden ausschliesslich Absolvent/innen, die in den erwähnten Fachbereichsgruppen ein Lizenziat, Diplom oder einen Masterabschluss an einer universitären Hochschule erworben haben, berücksichtigt.

Ein systematischer Zusammenhang im Sinne, dass steigende Absolventenzahlen zu einer Zunahme der Anteile erwerbsloser oder überqualifiziert erwerbstätiger

Absolvent/innen geführt hätten, konnte nicht bestätigt werden. Die Anzahl der Absolvent/innen der Geistes- und Sozialwissenschaften ist zwischen 2002 und 2008 um 38 Prozentpunkte gestiegen, was insbesondere auf einen Anstieg innerhalb der Sozialwissenschaften zurückzuführen war. Auch bei den Wirtschaftswissenschaften war bis 2005 ein positives Wachstum um 25 Prozentpunkte zu verzeichnen. Auch wenn für die Abschlussjahrgänge 2002, 2004 und 2006 der Geistes- und Sozialwissenschaften ein deutlicher Anstieg des Anteils überqualifiziert erwerbstätiger Absolvent/innen festgestellt werden konnte, so nahm dieser jedoch für den zahlenmässig stärksten Abschlussjahrgang 2008 ab, während der Anteil Erwerbsloser auf einem konstanten Niveau verblieb. Im Vergleich zu den Absolvent/innen der Wirtschaftswissenschaften waren diejenigen der Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen bis zum Beobachtungsjahr 2009 signifikant häufiger erwerbslos und innerhalb des gesamten Beobachtungszeitraums zu einem mdeutlich höheren Ausmass überqualifiziert erwerbstätig.

Anhand der Panelbeobachtungen ein Jahr und fünf Jahre nach dem Hochschulabschluss des Abschlussjahrgangs 2008 wurde ersichtlich, dass sich die anfänglichen Unterschiede in den Anteilen erwerbsloser und überqualifiziert erwerbstätiger Absolvent/innen der Geistes- und Sozialwissenschaften sowie der Wirtschaftswissenschaften fünf Jahre nach dem Hochschulabschluss weitestgehend ausgeglichen haben. Mehr als 80% der Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen des Abschlussjahrgangs 2008, welche im Jahr 2009 erwerbslos waren, haben fünf Jahre nach dem Hochschulabschluss eine Erwerbstätigkeit aufgenommen.

Auf die Frage, wie problematisch die Suche nach einer den Erwartungen entsprechenden Stelle empfunden wurde, antworteten die Absolvent/innen der Geistes- und Sozialwissenschaften des Abschlussjahrgangs 2008 deutlich negativer als diejenigen der Wirtschaftswissenschaften.

Während mehr als die Hälfte der Absolvent/innen der Geistes- und Sozialwissenschaften angab, mit Problemen bei der Stellensuche konfrontiert gewesen zu sein, war es bei den Wirtschaftswissenschaftler/-innen nur ein Drittel. Die Absolvent/innen der Geistes- und Sozialwissenschaften führten ihre Schwierigkeiten bei der Stellensuche zudem häufiger auf die Stellensituation im studierten Fachbereich (88%) und auf die gewählte Studienrichtung (80%) zurück als diejenigen der Wirtschaftswissenschaften (46% respektive 32%). Letztere sahen hingegen in der aktuellen Wirtschaftslage des Jahres 2009, die durch die globale Finanzkrise geprägt war, mit 82% häufiger die Ursache für ihre Probleme als die Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen (71%). Um sich in den Arbeitsmarkt zu integrieren, absolvierten Absolvent/innen der Geistes- und Sozialwissenschaften während oder nach dem Studium öfters ein Praktikum (44%) oder sammelten über eine temporäre oder Freiwilligenarbeit Berufserfahrung (30%) als diejenigen der Wirtschaftswissenschaften (36% respektive 9%). Sie waren zudem in einem höheren Ausmass bereit Einbussen beim Einkommen in Kauf zu nehmen (39%) oder einen anderen als den gewünschten Beschäftigungsgrad zu akzeptieren (26%) als die Wirtschaftswissenschaftler/innen (15% respektive 10%).

Ein Vergleich der konkreten beruflichen Situation ein Jahr und fünf Jahre nach dem Hochschulabschluss brachte Folgendes zutage: Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen arbeiteten zu beiden Beobachtungszeitpunkten deutlich häufiger im öffentlichen Sektor als Wirtschaftswissenschaftler/innen. Während ungefähr 20% der Wirtschaftswissenschaftler/innen im öffentlichen Sektor beschäftigt waren, belief sich der Anteil bei den Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen auf etwa 60%. Knapp die Hälfte der im öffentlichen Sektor beschäftigten Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen übten einen Beruf im Bildungswesen als Lehrer/in oder Angestellte an einer Hochschule aus.

Die Arbeitsbedingungen von Geistes- und Sozialwissenschaftler/ innen unterschieden sich von denjenigen der Wirtschaftswissenschaftler/innen zum Teil markant.

Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen waren zu beiden Beobachtungszeitpunkten häufiger befristet angestellt und unterbeschäftigt als Wirtschaftswissenschaftler/innen. Zudem erzielten sie sowohl ein Jahr als auch fünf Jahre nach dem Hochschulabschluss ein – bezogen auf eine Vollzeitanstellung – niedrigeres Erwerbseinkommen.

Fünf Jahre nach dem Hochschulabschluss verdienten Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen im Vergleich zu den Wirtschaftswissenschaftler/innen pro Jahr 15'000 Franken weniger. Mit einem Einkommensunterschied von 17'600 Franken fiel die Differenz im privaten Sektor am höchsten aus. Die unterschiedliche Verteilung auf Arbeitsmarktbereiche und die zum Teil stark divergierenden Arbeitsbedingungen zwischen den Arbeitsmarktbereichen trugen zu einem gewissen Teil zur Erklärung der starken Differenzen der Arbeitsbedingungen zwischen Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen einerseits und Wirtschaftswissenschaftler/innen andererseits bei, konnten sie aber nicht restlos klären.

Der Vergleich mit den Wirtschaftswissenschaftler/innen sollte aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich auch Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen vor allem fünf Jahre nach dem Hochschulabschluss grossmehrheitlich erfolgreich auf dem Arbeitsmarkt positioniert haben.

Mehr als 70% waren fünf Jahre nach dem Hochschulabschluss unbefristet angestellt. Etwas kritischer in punkto Beschäftigungssicherheit sah die Lage ausschliesslich für Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen, die als Angestellte an Hochschulen erwerbstätig waren, aus. Von diesen waren lediglich 16% unbefristet angestellt. Zudem war zwar etwas mehr als die Hälfte der Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen teilzeiterwerbstätig, aber nur 11% von ihnen gaben an, dass sie keine Erwerbstätigkeit zu einem höheren Beschäftigungsausmass gefunden haben. Unterbeschäftigung spielte bei Angestellten an Hochschulen (23%) und Lehrer/innen an öffentlichen Schulen (16%) eine etwas bedeutendere Rolle. Bezogen auf eine Vollzeitstelle erzielten Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen fünf Jahre nach dem Hochschulabschluss ein mittleres Bruttojahreseinkommen von 90'000 Franken. Etwas niedriger fiel das Erwerbseinkommen für Angestellte an Hochschulen (85'000 Franken) und im privaten Sektor erwerbstätige Geistes- und Sozialwissenschaftler/innen (87'500 Franken) aus. Die höchsten Erwerbseinkommen erzielten Lehrer/innen an öffentlichen Schulen mit 102'100 Franken, was in etwa dem Erwerbsniveau von Lehrkräften der Sekundarstufe II entspricht.

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Autorin: Petra Koller
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Reihe: Statistik der Schweiz
Fachbereich: 15 Bildung und Wissenschaft
Originaltext: Deutsch
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