Aktuelles / Notizen

10.01.2017

Statement zum Schwimmunterricht


Entscheid EGMR in Strassburg

Nachgefragt bei Christian Amsler:

«Es geht tatsächlich um Leben und Tod»

Was halten Sie vom Entscheid des Europäischen Gerichtshofs, dass auch Muslime den Schwimmunterricht ­besuchen müssen?

Christian Amsler: Ich habe mich persönlich sehr über das Urteil gefreut, da es den bisherigen Kurs bestätigt. Ich halte den Entscheid für richtig und wichtig. Auch aus pädagogischer Sicht ist es sehr zu begrüssen. Denn beim Schwimmen handelt es sich um eine Grundfertigkeit, bei der es durchaus um Sein oder Nichtsein geht.

Religionsfreiheit ist ein wichtiges Gut. Ist es richtig, dass diese hier weniger hoch gewichtet wurde?

Ganz grundsätzlich: Natürlich muss die Religionsfreiheit extrem hoch gewichtet werden. Doch in diesem speziellen Fall ist der Gerichtsentscheid richtig. Es ist in pädagogischem und im öffentlichen Interesse, dass alle Kinder in der Schweiz schwimmen lernen. Hier geht es einerseits um die Erlernung einer Grundfertigkeit, andererseits tatsächlich aber auch um Leben und Tod. Eine Dispensation vom Schwimmunterricht geht nicht!

Auch in Schaffhausen gab es 2008 einen solchen Fall. Daraufhin wurde die Rechtsprechung des Bundes­gerichts geändert. Zu Recht?

Auf jeden Fall. Dort wurde diese umstrittene Thematik das erste Mal juristisch bis zum Bundesgericht abgeklärt, in verschiedenen anderen Fällen wurde bis dahin ja die Religionsfreiheit höher gewichtet. Der finale Gerichtsentscheid aus Strassburg jetzt zum Basler Fall bestätigt das.

Interview von Anna Kappeler, Schaffhauser Nachrichten

Statement von Regierungsrat Christian Amsler zum Schwimmunterrichtsentscheid EGMR in Strassburg

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofes ist aus meiner persönlichen und auch aus pädagogischer Sicht sehr zu begrüssen! Ich halte es für richtig und wichtig. Beim Schwimmen handelt es sich um eine Grundfertigkeit, wo es durchaus um Sein oder Nichtsein geht. Bildung ist ein für unsere Gesellschaft definierter Grundanspruch. Darum ist es meine Überzeugung, dass es nicht möglich sein darf, dass jemand aus religiösen Gründen einem Schulfach fernbleibt. Dies gilt vor allem für den Schwimmunterricht, wie nun das höchste Gericht bestätigt hat:

Auch in Schaffhausen waren wir als erster Fall in der Schweiz damit konfrontiert, dass eine tunesische Familie 2008 vor Bundesgericht gegangen war, weil sie ihre Kinder nicht in den schulischen Schwimmunterricht schicken wollte. Sie unterlag dort. Erlaubt ist selbstverständlich, dass die Schülerinnen und Schüler den Körper bedecken oder in leichten Kleidern («Burkini») schwimmen. Das ist aus meiner Sicht kein Problem. Die Teilnahme am Schwimmunterricht ist obligatorisch, wenn dieser im Rahmen des Sportunterrichts stattfindet und im Lehrplan vorgesehen ist. Dispensationen aus religiösen Gründen können dann grundsätzlich nicht gewährt werden. Im Einzelfall können manchmal allseitig vertretbare Lösungen gefunden werden etwa im Bereich der Badebekleidung, des geschlechtergetrennten Unterrichts oder des räumlich getrennten Duschens. Ein Rechtsanspruch darauf besteht aber nicht. Wichtig ist mE, dass bei Sonderlösungen die Klassen über die religiösen Hintergründe sachlich und respektvoll informiert werden, um Ausgrenzungen zu verhindern.

Religionsfreiheit ist ein Grundrecht. Aber auch dieses Recht gilt nicht absolut. Einschränkungen sind zulässig, wenn sie in einem öffentlichen Interesse und verhältnismässig sind. Ein solches öffentliches Interesse ist aus meiner Sicht der Schwimmunterricht. Diese Haltung hat nun das Gericht bestätigt.

Hintergrund:

Schwimmunterricht verletzt Religionsfreiheit nicht

Obligatorischer Schwimmunterricht verletzt die Religionsfreiheit nicht. Das hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte entschieden.

Indem die Behörden den Besuch des gemischtgeschlechtlichen Schwimmunterrichts für zwei muslimische Mädchen für obligatorisch erklärten, haben sie die Religionsfreiheit der Betroffenen nicht verletzt. Dies hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im Fall einer in Basel wohnhaften Familie entschieden. (Quelle sda Meldung 10.1.2017)

Musliminnen müssen in den Schwimmunterricht

Obligatorischer Schwimmunterricht verletzt die Religionsfreiheit nicht: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gibt der Schweiz im Fall von zwei Schülerinnen aus Basel recht.

Indem die Schweizer Behörden den Besuch des gemischtgeschlechtlichen Schwimmunterrichts für zwei muslimische Mädchen für obligatorisch erklärten, haben sie die Religionsfreiheit der Betroffenen nicht verletzt. Dies hat der Europäische Menschenrechtshof entschieden.

Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) betrifft den Fall einer in Basel wohnhaften Familie. Die sieben und neun Jahre alten Mädchen besuchten dort im August 2008 eine Primarschule. Dem obligatorischen Schwimmunterricht blieben sie jedoch fern. Gespräche mit den Eltern, welche die Schweizer und die türkische Staatsbürgerschaft haben, fruchteten nicht.

Eltern gebüsst

Das Erziehungsdepartement büsste die Eltern deshalb im Juli 2010 mit je 700 Franken – 350 Franken pro Tochter. Die schweizerischen Rekurs- und Beschwerdeinstanzen wiesen die dagegen eingelegten Rechtsmittel ab, sodass die Eltern an den EGMR in Strassburg gelangten.

Dieser hält in seinem Urteil fest, dass es die Erwägungen des Bundesgerichtes stütze. Dieses hatte in seinem Urteil die grosse Bedeutung der Integration – namentlich ausländischer Kinder – in die hiesige Gesellschaft betont.

Es führte aus, dass aufgrund des vorliegenden Falls kein Anlass bestehe, die im Oktober 2008 festgelegte Rechtsprechung zu ändern. Das Bundesgericht hielt damals fest, dass die multikulturelle Schulrealität verlange, dass Kinder aus allen Kulturen in die in der Schweiz geltenden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen eingebunden würden. (Quelle: Bericht 20min 10.1.2017)