Aktuelles / Notizen

29.05.2017

Kommentar zur heutigen Tagesstrukturdebatte


im Schaffhauser Kantonsrat von RR Christian Amsler

Heute erlebte die Schaffhauser Rathauslaube fast vier Stunden intensive Debatte im Schaffhauser Kantonsrat zur wichtigen Tagesstrukturvorlage der Regierung. Dabei standen sich die Volksinitiative der Alternativen Liste AL mit dem smarten Titel „7to7“ und der regierungsrätliche Gegenvorschlag gegenüber. Und schon geht es wieder darum, wer nun Sieger und wer Verlierer sei! Dabei sind doch heute Konsens und gemeinsame Lösungen gefragt. Nun wird im Spätherbst der Schaffhauser Souverän das letzte Wort haben. Gut so! Ich bin überzeugt, dass er dieser für die Schaffhauser Bevölkerung gesellschaftspolitisch sehr wichtigen Thematik den nötigen Stellenwert zukommen lassen wird und der Empfehlung des Kantonsrates und der Regierung folgen wird.

Für die Regierung ist es jedenfalls ein Schritt in die richtige Richtung, denn der Beschluss des Kantonsrates im Sinne einer Empfehlung an die Stimmbevölkerung ist heute eindeutig und klar zu Gunsten der regierungsrätlichen Vorlage ausgefallen: 40 : 7 Zustimmung zum Gegenvorschlag und mit 37 : 16 für eine Ablehnung der Volksinitiative „7 to 7“.

Was wurde angepasst? Der Kantonsrat will im Gegensatz zur regierungsrätlichen Vorlage mit einer "können"-Formulierung in Artikel 5a des Schulgesetzes die Verbindlichkeit zur Umsetzung in den kommenden 10 Jahren abschwächen.

Wer nun von links und rechts und oben und unten moniert, dass dies nun ein zahnloses Gesetz ohne Inhalt und eigentlich der Status Quo sei, soll sich zuerst einmal genau ins Bild setzen, welches nun die Inhalte des Gesetzes und der Vorlage zu schulnah angebundenen Tagesstrukturen sind. Gerne fasse ich diese nochmals kurz zusammen (siehe unten).

Gemeinden tun gut daran sich nun auf den Weg zu Tagesstrukturen zu machen, auch wenn nun eine „kann“ Formulierung im Gesetz zu finden ist. Ja, es ist so! Die HarmoS Vorgaben sind damit nicht punktgenau umgesetzt, - unmissverständlich habe ich heute im Kantonsrat darauf hingewiesen, und es wird am Regierungsrat liegen in 5 – 10 Jahren zu schauen, wie sich die Sache entwickelt hat und wie es mit der Kompatibilität zum entsprechenden HarmoS Passus bestellt ist. Schaffhausen ist damit nicht allein, es gibt auch noch andere Kantone, die sich ebenfalls auf den Weg gemacht haben. Wichtig ist eben, dass man sich auf den Weg macht und nicht stehen bleibt, wie das wohl einige heute im Rat wollten oder zumindest mit ihrem Verhalten riskierten.

Zumindest papiermässig war dies eine der aufwändigsten Vorlage meiner bisherigen Regierungszeit. Der Stapel zur Vorlage lässt sich sehen! Grund ist natürlich auch, dass es die in der Geschichte der Schaffhauser Politik wohl einmalige Situation ergeben hat, dass die Regierung eine Vorlage an den Kantonsrat überwiesen hatte, diese beraten wurde, dann aber praktisch zeitgleich eine Volksinitiative zu behandeln war und dazu ein Gegenvorschlag bestellt wurde. Jetzt ist der nächste Meilenstein die Volksabstimmung 2017 mit den beiden Teilen Volksinitiative und Gegenvorschlag und der Stichfrage, welcher Variante die Stimmbevölkerung den Vorzug geben würde. Da dürfen wir mal gespannt sein! Nun wird die Regierung nächstens den offiziellen Abstimmungstermin festlegen (mutmasslich November 2017).

Kurzform Vorlage an den Schaffhauser Kantonsrat zu schulnah angebundenen, bedarfsgerechten Tagesstrukturen 

  • Was will die Regierung? freiwillig nutzbare, schulnah angebundene, bedarfsgerechte und für die Erziehungsberechtigten kostenpflichtigen Angebote
  • Vereinbarkeit von Familie und Beruf erleichtern,
  • Nutzung von beruflichen Kapazitäten insbesondere von Frauen verbessern und den Kanton als zeitgemässen, familienfreundlichen Wohn- und Arbeitsort attraktivieren.
  • Schaffhauser Rückstand im Vergleich zu den anderen Kantonen aufheben
  • Finanzielle Beteiligung mittels Pauschalbeiträgen (pro Schüler / genutzes Angebot) an Gemeinden durch Kanton
  • Gemeinden verpflichtet innerhalb von zehn Jahren bedarfsgerechte Betreuungsplätze für Schülerinnen und Schüler der Primar- und Sekundarstufe I anzubieten.
  • Auf- oder Ausbau einer entsprechenden Organisation und der nötigen Infrastruktur sowie die Regelung der Zusammenarbeit unter den Gemeinden oder mit Privaten. 

 

  • 2007 Beitritt zur interkantonalen Vereinbarung über die Harmonisierung der obligatorischen Schule HARMOS Konkordat und damit Ja zur Einführung von Tagesstrukturen.
  • Trotz angespannter finanzieller Haushaltsituation - Teilrevision des Schulgesetzes in die Vernehmlassung gegeben.
  • Eine grosse Mehrheit der 59 Vernehmlassungsteilnehmenden anerkennt den Bedarf an schulergänzenden Tagesstrukturen.
  • Bei verschiedenen Gemeinden, einem kleinen Teil der Parteien und bei vereinzelten Schulbehörden stösst die Absicht, Tagesstrukturen verpflichtend flächendeckend einzuführen, auf Ablehnung.
  • Mit einer grosszügig angesetzten Frist von 10 Jahren zur Einführung wollte die Regierung den Gemeinden, insbesondere in den ländlichen Gegenden, genügend Zeit einräumen, um ihre Schulstrukturen durch gemeindeübergreifende Zusammenarbeit zu optimieren,

 

Vereinbarkeit von Beruf und Familie

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist heute ein wesentlicher Mosaikstein zum wirtschaftlichen Erfolg. Tagestrukturen werden daher auch von der Wirtschaft gefordert.

Gründe dafür:

  • Förderung des Wirtschaftswachstums,
  • die Verbesserung der Funktionsweise des Arbeitsmarktes,
  • die bessere Nutzung der fachlichen Kompetenzen und Ressourcen gut ausgebildeter Frauen,
  • aber auch die Verbesserung der sozialen und schulischen Integration
  • und das Auffangen fehlender oder unbefriedigender Betreuung der Kinder. 

Tagesstrukturangebote sind freiwillig und beitragspflichtig

  • Bei schulergänzenden Tagesstrukturen handelt es sich um Betreuungsangebote für Kinder und Jugendliche vom Kindergarten bis zur Sekundarstufe I.
  • Die Tagesstrukturen können entweder durch die Gemeinde oder durch private Leistungserbringer organisiert und durchgeführt werden.
  • Das für Eltern beitragspflichtige, freiwillige Betreuungsangebot ist modulartig aufgebaut.
  • Es besteht in der Regel aus der Möglichkeit zur Früh-, der Mittags- sowie der Nachmittags- und Spätnachmittagsbetreuung.
  • Schulunterricht und Tagesstrukturangebote decken werktags mindestens die Zeit von 07.15 - 18.00 Uhr ab.
  • Betreuungsangebot während 8 Schulferienwochen vorgesehen. 

Gemeinden verantwortlich für die Schaffung von Tagesstrukturen und Finanzierung

  • Die Verantwortung für die Schaffung und Finanzierung von Tagesstrukturangeboten obliegt den Gemeinden.
  • Neben den Beiträgen der Erziehungsberechtigten beteiligt sich der Kanton in Form von Pauschalen an den Betreuungskosten. Diese werden den Gemeinden pro Schülerin und Schüler und benutztem Angebot ausbezahlt.
  • Die Kosten für den Kanton beruhen auf Annahmen und werden für die heute bereits bestehenden schulnahen Tagesstrukturen auf ca. 30‘000 bis 50‘000 Franken pro Jahr geschätzt.
  • Bei einem theoretischen Vollausbau der schulnahen Tagesstrukturen in allen Gemeinden würde gemäss aktuellen Berechnungen der Beitrag des Kantons für 39 Schulwochen rund 950‘000 Franken pro Jahr, für ein Angebot während acht Ferienwochen rund 170‘000 Franken pro Jahr betragen. Infrastruktur und Administration = Gemeinde
  • Der Bund beteiligt sich in Form einer Anschubfinanzierung. Impulsprogramm für den Zeitraum von 2003 bis 2019 bei Neugründungen oder beim Ausbau von Betreuungsangeboten (mindestens 10 Plätze) und bis max. 50% der anrechenbaren Kosten. 

Schulgesetz

Änderung vom 29. Mai 2017

Der Kantonsrat Schaffhausen

beschliesst als Gesetz:

I.

Das Schulgesetz vom 27. April 1981 wird wie folgt geändert:

Art. 5a

Schulergänzende Tagesstrukturen

1 Die Gemeinden können ihren Schülerinnen und Schülern der Primarstufe und der Sekundarstufe I bedarfsgerechte schulergänzende Tagesstrukturen zur Verfügung stellen.

2 Die Gemeinden können private Institutionen auf der Basis von Leistungsvereinbarungen mit der Führung von Tagesstrukturen beauftragen.

3 Die Tagesstrukturangebote sind auf den Stundenplan ausgerichtet und modular aufgebaut.

4 Die Nutzung des Tagesstrukturangebotes ist für die Erziehungsberechtigten freiwillig.

5 Der Regierungsrat legt auf Antrag des Erziehungsrates die Vorgaben betreffend die schulergänzenden Tagesstrukturen in einer Verordnung fest.

Art. 92a

Finanzierung der schulergänzenden Tagesstrukturen

1 Die Gemeinden tragen die Kosten der schulergänzenden Tagesstrukturen.

2 Die Erziehungsberechtigten haben sich an den Kosten zu beteiligen.

3 Der Kanton beteiligt sich an den Betreuungskosten in Form von Pauschalen pro Schüler, pro Tag und Angebot, sofern die kantonalen Vorgaben eingehalten sind.

4 Der Regierungsrat legt die Modalitäten zur Berechnung der Pauschalen auf Antrag des Erziehungsrates in einer Verordnung fest. Die Berechnung der Pauschalen erfolgt auf der Grundlage der folgenden Kostenverteilung:

a)  Beitrag Gemeinde und Erziehungsberechtigte: drei Viertel;

b)  Beitrag Kanton: ein Viertel.

5 Die Gemeinden sind frei in der Tarifgestaltung. Die finanziellen Verhältnisse der Erziehungsberechtigten können dabei berücksichtigt werden.

II.

1 Dieser Gegenvorschlag zur Volksinitiative «Initiative Beruf & Familie (Tagesschulen 7to7)» wird zusammen mit der Volksinitiative nach dem Verfahren gemäss Art. 30 der Kantonsverfassung zur Abstimmung unterbreitet. Vorbehalten bleibt ein allfälliger Rückzug der Volksinitiative.

2 Der Regierungsrat bestimmt das Inkrafttreten dieses Gesetzes.

3 Es ist im Amtsblatt zu veröffentlichen und in die kantonale Gesetzessammlung aufzunehmen.