Aktuelles / Notizen

29.06.2017

Interview Schaffhauser az


zu verschiedenen Bildungsthemen

PDF ganzes Interview in den Schaffhauser Nachrichten (Autorin Romina Loliva, Fotograf Peter Pfister)

az Christian Amsler, Medienberichten zufolge wollen Sie Aussenminister Didier Burkhalter im Bundesrat beerben. Wie ernst ist das gemeint?

Christian Amsler Wenn ich etwas sage, dann meine ich es immer ernst (lacht). Mir geht es um den Grundsatz: Das Amt des Bundesrates ist äusserst spannend und eine politische Perspektive, die mich interessiert. Aber bei dieser Wahl ist es klar, dass die lateinische Schweiz am Zug ist. Das hat die nationale Parteileitung deutlich gemacht. Präsenzmarkieren und Schaffhausen national ins Gespräch bringen finde ich dennoch legitim. Ich muss also auch nichts dementieren, weil ich nicht Kandidat bin. Das Amt interessiert mich, aber es ist  jetzt der falsche Zeitpunkt.

Sie bleiben also der kantonalen Bühne erhalten ...

... ja, mit viel Herzblut.

Auch wenn Sie sowohl von rechts wie von links heftige Kritik einstecken müssen?

Wenn man in der Exekutive sitzt, kann man es nie allen rechtmachen. Die Parteien haben stark unterschiedliche Interessen und Haltungen. Überspitzt gesagt: für die Linken mache ich zu wenig in der Bildung, die Rechten wollen, dass sich die Verwaltung gänzlich aus der Schule raushält. Die Kritik kommt oft in Wellen. Es kann sein, dass es momentan etwas nach Sturm aussieht.

Die SVP wirft Ihnen seit Jahren vor, die Verwaltung des Erziehungsdepartements (ED) sei aufgeblasen. Nun verlangt eine Interpellation eine Senkung der Kosten um 25 Prozent. Hat das ED einen Wasserkopf?

Über diesen Vorwurf bin ich not amused, wie man so schön sagt. Das ED ist nicht mondän aufgestellt und beschäftigt nicht überdurchschnittlich viele Verwaltungsangestellte. Das werden wir in der Antwort zur Interpellation von Walter Hotz (SVP, SH) aufzeigen..

Es steckt also nichts dahinter?

Es kommt darauf an, welches Bild man von der Schule hat. Das der SVP ist sehr traditionell: die Lehrer kümmern sich schon um die Schule, die Behörden sollen sich nicht einmischen. Wir leben aber in einer komplexen Zeit und wir können die Schule nicht alleine lassen. Fachstellen und Know-How sind notwendig, um die bestmögliche Schule zu bieten. Die Schulzahnklinik, die Schulberatung, der Schulpsychologische Dienst, die Berufsberatungsstelle, das sind alles Dienstleistungen für die Schule und für die Lehrpersonen. Und wir haben aufgrund von Sparmassnahmen bereits Stellen abgebaut.

Also geht es der SVP nicht nur ums Sparen, sondern auch um einen inhaltlichen Abbau?

Ich möchte keiner Partei pauschal Absichten unterstellen. Was mich aber nervt, ist, dass einige Politiker glauben, man könne ständig Ausgaben mit dem Abbau der Verwaltung kompensieren. Die SVP ist gegen den Lektionenabbau, will die Kosten aber im Departement einsparen. Eine Schullektion entspricht rund zwei Millionen Franken. Wenn es nach der SVP ginge, dann müsste ich das ganze ED entlassen und mich gleich mit, um die Kosten aufzufangen. Das ist absurd.

Aber warum halten Sie am Lektionenabbau fest? Eine Massnahme, die wirklich niemand will.

Innerhalb des Entlastungsprogramms 2014 musste auch das ED Sparmassnahmen vornehmen. Der Abbau von Schullektionen ist zwar unpopulär, aber eine realistische Möglichkeit, um das Sparziel umzusetzen. Dagegen hat das Bündnis Zukunft Schaffhausen eine Initiative gestartet, was ihr gutes Recht ist. Dem Staatshaushalt geht es wieder gut, darum wollen die Bürgerlichen auch keinen Abbau mehr. Das Volk wird schlussendlich an der Urne entscheiden und ja, ich rechne damit, dass die Abstimmung von den Initianten haushoch gewonnen wird.

Aber warum hat die Regierung die Sparmassnahme nicht einfach zurückgezogen?

Wir haben Gespräche geführt und Bereitschaft signalisiert. Die Initianten wollten aber an der Initiative festhalten. Ich bedaure, dass man der Regierung hier nicht vertraut hat.

Das mit dem Vertrauen ist aber schwierig, wenn man sich vor Augen führt, wie der Kantonsrat politisiert. Die Entlastung der Klassenlehrpersonen – eine Forderung, die nun seit fünf Jahren im Raum steht – wurde wieder aufgeschoben. Und die Regierung hat die Rückweisung an die Kommission unterstützt. Wie erklären Sie das den Lehrerinnen und Lehrern?

Ich kann verstehen, dass sie verärgert sind. Aber es geht um die Gegenfinanzierung. Die Entlastung der Klassenlehrpersonen kostet, diese Kosten sollen mit der Vorlage «Schule aus einer Hand» (Anm.d.Red. Kantonalisierung der Schulstrukturen) aufgefangen werden, zudem steht die Abstimmung zur Anzahl der Lektionen noch aus. Darum wäre es verfrüht gewesen, nun die Entlastung zu beschliessen. Dass es für die Lehrer ärgerlich ist, verstehe ich.

Die Lehrpersonen haben vor fünf Jahren gestreikt, nicht nur Wünsche angebracht.

Das war kein Streik, sondern eine Unmutskundgebung vor meinem Büro. Und es gehört zu meinem Job, es auf meine Kappe zu nehmen, ja, die Regierung hat die Rückweisung unterstützt. Ich hoffe jedoch, dass sich die Situation im Herbst lösen wird.

Obwohl die Vorlage «Volksschule aus einer Hand» einen schweren Stand hat?

Es wäre tatsächlich ein Paradigmenwechsel im Schulsystem und würde einschneidende Veränderungen mit sich ziehen. In Schaffhausen ist die Schule traditionell Sache der Gemeinden. Dennoch hatten wir den Auftrag des Kantonsrates eine Machbarkeitsstudie zu erstellen, die nun die Basis für die politische Diskussion bietet. Mit der Kantonalisierung würden finanzielle Ressourcen freigespielt werden, die wir unter anderem für die Entlastung benötigen.

Und wenn die Kantonalisierung scheitert?

Wir haben einen Plan B. Der ist quasi schon geschrieben. Es käme wohl zu einer Verdichtung, ohne, dass die Gemeinden die Schulhoheit abgeben müssten.

Und die Mittel würden tatsächlich in die Bildung fliessen? Ist das ein Versprechen?

Ich kann nicht sehr viel dazu sagen, aber das ist zumindest das Zeichen einiger Kanntonsräte Natürlich gibt es im Kantonsrat auch jene, die das Geld lieber einsparen würden. Die Regierung selbst hat noch nicht abschliessend darüber beraten. Persönlich bin ich klar der Meinung, dass wenn wir die Strukturen im grossen Stil optimieren, wir die Mittel auch wieder in die Schule investieren sollten.

Ein weiterer Kritikpunkt sind die Tagesstrukturen. Der Gegenvorschlag der Regierung zur «7to7»-Initiative ist ziemlich lasch. Keine Verbindlichkeit für die Gemeinden und die Beteiligung des Kantons ist bei nur 25 Prozent der Betreuungskosten. Warum?

Die Regierung teilt zwar das Anliegen der Initianten, aber die Ausgestaltung geht uns zu weit. Etwas salopp gesagt: Man erhält eine Rundum-Betreuung, kann das Kind abgeben und der Staat zahlt alles. Das ist keine Realpolitik. Unsere Vorlage sieht eine Mischfinanzierung Kanton-Gemeinde-Erziehungsberechtigte vor, natürlich kann man über den Verteilungsschlüssel streiten, aber im Grundsatz ist es eine ausgewogene Vorlage. Mit der Freizügigkeit für die Gemeinden kommen wir den Skeptikern entgegen. Damit erhoffen wir uns Fortschritte, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf voranzutreiben. Ich bin optimistisch.

Welche Anreize haben die Gemeinden, um Tagesstrukturen aufzubauen?

Der Standortvorteil zum Beispiel. Gemeinden, die bereits heute Tagesschulen betreiben, machen gute Erfahrungen damit. Zudem können die Gemeinden nach Bedarf zusammenarbeiten und Synergien nutzen.

Auch wenn dann die Kantonalisierung das System total umkrempeln würde?

Das ist die Realität der heutigen Bildungspolitik. Es gibt Projekte, die parallel zu einander laufen, das erhöht die Komplexität der Situation. Aber wir kämen nirgends mehr hin, wenn wir nicht mehrgleisig fahren würden. Wir bekommen vom Kantonsrat Aufträge, der Bund macht Vorgaben, das Volk greift mit Initiativen im politischen Prozess ein. Stillstand im Prozess wäre nicht gut.

Und wenn nichts davon zustande kommt?

Dann fangen wir wieder von vorne an. Aber ich bin zuversichtlich und vertraue dem Schaffhauser Stimmvolk. Es wird vernünftig entscheiden.