Aktuelles / Notizen

10.11.2017

50 Jahre Staatsvertrag Büsingen


Rede RR Christian Amsler

Grusswort zur Feier 50 Jahre Büsinger Staatsvertrag (1967-2017), Samstag, 18. November 2017 Turnhalle Büsingen

 Liebe Büsingerinnen und Büsinger, verehrte Gäste! 

Ja wissen Sie, eigentlich kenne ich Büsingen wie meine Westentasche. Da ich ja in Dörflingen aufgewachsen bin und viele Jahre in Schaffhausen zur Schule ging, bin ich jeden Tag viermal durch euer wunderbares Dorf am Rhein geradelt. Es sind so manche Freundschaften und Bekanntschaften mit Büsingern entstanden. 

Die Beziehungen zwischen Schaffhausen und Büsingen waren immer besonders. Dies begann schon im 11. Jahrhundert, als die auf dem Kirchberg oberhalb von Büsingen gelegene Michaelskirche (also die markante Büsinger Bergkirche) auch Mutterkirche der Schaffhauser Stadtkirche St. Johann war. 

Ein weiterer Beleg für die enge Beziehung zwischen Schaffhausen und Büsingen zeigt sich daran, dass die Ersterwähnungsurkunde von Büsingen im Staatsarchiv Schaffhausen liegt. Sie stammt aus dem Jahr 1090, als Graf Burkhard von Nellenburg dem Kloster Allerheiligen umfangreichen Grundbesitz in Büsingen schenkte. Aber auch die Ersterwähnungsurkunde der Büsinger Bergkirche aus dem Jahr 1095 liegt im Staatsarchiv Schaffhausen. Schaffhausen verwahrt also gleichsam ein Stück Büsinger Geschichte. 

Den Weg zu einer Besonderheit aber schlug Büsingen ein, als das Dorf 1535 der Schaffhauser Familie Im Thurn als Grundherren übertragen wurde. An sich ein alltäglicher Vorgang, der aber in den Im Thurn-Handel mündete, als Eberhard Im Thurn (1658-1728) als Gerichtsherr 1693 in Schaffhausen denunziert wurde, er sei ein heimlicher Katholik und die Stadt Schaffhausen Im Thurn daraufhin in Schaffhausen für Jahre festsetzte. Die direkte Folge war, dass Österreich als Landesherr die an Schaffhausen verpfändete Hochgerichtsbarkeit an sich zog. Selbst als Schaffhausen 1722 für eine horrende Summe die Hochgerichtsbarkeit über die Dörfer auf dem Reiat von Österreich kaufen konnte, blieb Büsingen vom Kauf ausgeschlossen. Zu tief und langlebig waren die Differenzen zwischen Schaffhausen und Österreich oder anders gesagt: Wien war nicht geneigt zu vergessen. Das Vorgehen Schaffhausens, das erst zur Eskalation der Situation beitrug, war aber auch weder ein taktisches noch ein diplomatisches Glanzstück, es war vielmehr der Beweis, dass Sturheit zum politisch denkbar schlechtesten Resultat führen kann. Als Österreich 1770 die Rechte über Ramsen und Dörflingen an Zürich verkaufte, von dem diese Orte 1798 an den Kanton Schaffhausen kamen, wurde Büsingen zur Enklave in der Schweiz. Ein Stück Deutschland, umzingelt von der Schweiz! 

1810 kam Büsingen zum Grossherzogtum Baden und erlangte mit dem Beitritt Badens zum Deutschen Zollverein 1835 eine zollrechtliche Sonderstellung, da es Zollausschlussgebiet wurde.

Die logische direkte Folge davon war eine wirtschaftliche Ausrichtung nach Schaffhausen, die sich seither wohl noch verstärkt hat. Als die Zollgrenze 1947 aufgehoben wurde, war damit der Anschluss Büsingens an das schweizerische Zollgebiet faktisch vollzogen. Doch erst der deutsch-schweizerische Staatsvertrag von 1964, der 1967 in Kraft trat, brachte die rechtliche Anerkennung dieses Zustands. Diesen feiern wir heute! 

Mehrfache Kauf- und Tauschverhandlungen blieben erfolglos, auch weil sie teilweise nicht mit der notwendigen Ernsthaftigkeit geführt wurden. Generell kann man sagen, dass im 19. Jahrhundert die Schweiz Büsingen gerne zu sich genommen hätte, während im 20. Jahrhundert die Büsinger gerne zur Schweiz gekommen wären, insbesondere nach dem Ersten und dem Zweiten Weltkrieg. Also, lieber Frank, du kannst heute Abend wieder mal einen Preis nennen, wir werden Büsingen gerne aufnehmen. Aber ich weiss natürlich auch, dass du sehr wohl weisst, dass du da noch eine Perle am Hochrhein in deinem Landkreis weisst! 

Nun, Sie sehen, der Status von Büsingen ist letztlich die Folge historischer Ereignisse und damit eine Erbschaft des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Ein Sonder- und Einzelfall für die Schweiz, der aber zum Profil Büsingens und Schaffhausens beiträgt. 

Die "Anomalie" verleiht Büsingen also seine Einzigartigkeit. Selbst wenn der Status Büsingens für Schaffhausen je wirklich ein Ärgernis gewesen sein sollte, so hat sich dieses längst in freundschaftliche Verbundenheit verwandelt. Zu eng waren und sind die Beziehungen zwischen dem Kanton Schaffhausen und Büsingen, zu verflochten auch die familiären und persönlichen Kontakte, zu intensiv der wirtschaftliche Austausch. 

Besonders eindrücklich ist ja auch, dass Büsingen die einzige deutsche Gemeinde mit Schweizer Postleitzahl und Swisscom Kabine auf dem Dorfplatz ist! 

Diese grosse Nähe zeigte und zeigt sich in vielen Aspekten. So im Bereich des Sports, in dem der FC Büsingen seit langer Zeit mit willkommenem Zuzug aus Schaffhausen verstärkt wird. So im Bereich der Kultur mit der 1955 von Schaffhauser Persönlichkeiten gegründeten "Vereinigung für den Erhalt der Büsinger Bergkirche", die damals einen ganz wichtigen Beitrag für den Erhalt dieses Büsinger Wahrzeichens leistete und sich heute noch für die Bergkirche einsetzt, die auch für viele Schaffhauserinnen und Schaffhauser zur beliebten Traukirche geworden ist. 

Ich mag den Rhein, ich mag die einmalige Lage Büsingens und lege gerne mit meinem Weidling an euren wunderbaren Gestaden an. Ihnen allen wird es ähnlich gehen wie mir. Das haben wir uns auch gedacht bei unserem kleinen Geschenk, das wir unseren Büsinger Freunden heute zum Jubeltag mitbringen. 

Wo es gemütlich und schön ist, da lass dich nieder. Einen Moment innehalten, die wunderbare Natur und Umgebung bestaunen und die Seele baumeln lassen. Eine Sitzbank für alle Büsingen Fans, primär für die Einheimischen, für Jung und Alt, für die müden Fahrradtouristen, für die Jogger, die Hündelerinnen und für uns Schaffhauserinnen und Schaffhauser. 

Kurz: Einfach für alle lieben Menschen, die diesen herrlichen Fleck Erden geniessen und für einen Moment die Zeit anhalten möchten! 

Herzliche Gratulation zu 50 Jahre Staatsvertrag Büsingen!