Aktuelles / Notizen

13.09.2019

«Ich sehe mich als bürgerliche Alternative»


SN Porträt zur Kandidatur Ständerat

Die FDP schickt Regierungsrat Christian Amsler ins Rennen, um den vor acht Jahren verlorenen Ständeratssitz zurückzuholen. Eine Kandidatur eines Vollblutpolitikers - mit einigen Blessuren.

Es gibt zwei Worte, die in jedem Gespräch mit Christian Amsler über seine Politik fallen. Meistens mehrfach: Er politisiere «mit Herzblut» für den Kanton, und er sieht sich als «Brückenbauer». Jetzt will es der seit neun Jahren als Schaffhauser Erziehungsdirektor amtende Regierungsrat wissen. Seine Partei hat ihn ins Rennen für den Ständerat geschickt. «Meine Kandidatur sehe ich klar als bürgerliche Alternative», sagt Amsler.Zwar betont der 55-jährige, heute dienstälteste Regierungsrat, dass er nicht gegen jemanden Bestimmtes antrete. «Aber es liegt auf der Hand, dass ich zu den Standpunkten von Ständerat Minder beachtliche Differenzen aufweise.» Mit Amsler wollen die Freisinnigen ihren vor acht Jahren an den parteilosen (aber in der SVP-Ständeratsfraktion politisierenden) Thomas Minder verlorenen Sitz zurückholen.

Ein schwieriges Unterfangen: Vor vier Jahren war der FDP-Herausforderer sogar noch hinter dem SP-Kandidaten gelandet. Diesmal, so Amsler, soll es gelingen. «Es gibt viele vernünftige, gemässigte SVPler, die mich neben Germann wählen könnten und wenn die politische Mitte und die Linken mich aufschreiben, dann könnten sie so vermeiden, Steigbügelhalter des Status quo zu sein», erklärt der Kandidat.

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«Als Exekutivpolitiker steht man schnell mal in der Kritik.» – Ständeratskandidat Christian Amsler. Bild: Selwyn Hoffmann

Das politische Profil Amslers könnte in der Tat breite Wählerschichten ansprechen. «Ich bin ein Mann der Mitte.» In Umwelt-Rankings hat er beste Ratings, von Haus aus ist er Bildungspolitiker und – jetzt kommts: «Ich bin thematisch breit aufgestellt und könnte im Ständerat konstruktiv und als Brückenbauer wirken.»

Dies sieht auch der Tamedia-Bundeshauskorrespondent, der Schaffhauser Christoph Lenz so: «Die beiden amtierenden Schaffhauser Ständeräte sind aufgrund ihrer Fraktionsangehörigkeit in einer relativ schwachen Position. Die SVP war in dieser Legislatur bei den wichtigen Geschäften selten Teil der Lösung. Als Mitglied der starken FDP-Fraktion könnte ein Christian Amsler vermutlich für den Stand Schaffhausen schon mehr herausholen auf dem Berner Bazar.» Als umgänglicher Typ, der keine radikalen Positionen vertritt, würde Amsler durchaus in den Ständerat passen, findet Lenz. «In der kleinen Kammer wimmelt es ja von alt Regierungsräten.» Dort würde Amsler schnell ein solides Netzwerk aufbauen können.

Eine PUK und die Causa Schläpfer
Wäre, würde, könnte – denn zusätzlich zur schwierigen Ausgangslage steigt Amsler politisch angeschlagen in den Ring. Die offenen Fragen rund um die Vorgänge in der unter seiner Aufsicht stehenden Schulzahnklinik mündeten in einer parlamentarischen Untersuchungskommission PUK – der ersten im Kanton. Ihre Arbeit ist noch nicht abgeschlossen. Und die sofortige Freistellung des Rektors des Berufsbildungszentrums wegen eines Konflikts mit Amsler führte zuletzt zu Kritik am Führungsstil und politischen Vorstössen.

Flucht nach vorn – Flucht nach Bern? «Nein», sagt Amsler. «Klar, diese Vorfälle kommen zu einem suboptimalen Zeitpunkt, aber es gibt keinen Grund, den Kopf in den Sand zu stecken.» Der Entscheid, dass jetzt der richtige Zeitpunkt für eine Ständeratskandidatur ist, sei zusammen mit der Partei gefällt worden. «Als Exekutivpolitiker steht man schnell mal in der Kritik und ich weiss auch, dass das jetzt alles noch mal heraufgespielt werden wird von meinen Gegnern.»

«Es gibt keinen Grund, jetzt den Kopf in den Sand zu stecken.»
Christian Amsler, Regierungsrat, Ständeratskandidat

Amsler steht seit neun Jahren dem anspruchsvollen Bildungsdepartement vor, kaum einer seiner Vorgänger hat es dort so lange ausgehalten. Der ausgebildete Primarlehrer wollte in seiner Amtszeit eigene Impulse setzen, war dabei aber nicht immer erfolgreich. Alt Kantonsrat Werner Bächtold (SP) – der 2009 gegen Amsler bei der Wahl in den Regierungsrat unterlag – zieht eine durchmischte Bilanz und erwähnt die gescheiterte Vorlage «Volksschule aus einer Hand» und eine Klassenlehrerstunde, die seit Jahren versprochen wurde. «Das Erste war total überladen und das Zweite blieb nichts als warme Luft.»

Wegen den Affären um die Schulzahnklinik und das BBZ sieht er Amsler stark angeschlagen. «Er hat weder grosse Lernfähigkeit bewiesen noch sich als konfliktfähig herausgestellt. Ich frage mich auch, wieso Christian bei der letzten Wiederwahl nicht das Departement gewechselt hat. Nach neun Jahren hat sich vielleicht eine gewisse Betriebsblindheit entwickelt.» Das alles, so Bächtold, bedeute aber nicht, dass Amsler ein schlechter Ständerat wäre. «Er ist ein guter Verkäufer und ich nehme ihm ab, dass er sich für den Kanton einsetzt. Ich traue ihm zu, dass er ein besserer Ständerat wäre, als er zuletzt Regierungsrat war.» Dass sich einige Linke dazu durchringen könnten, Amsler neben dem SP-Ständeratskandidaten Patrick Portmann auf die zweite Linie zu schreiben, hält Bächtold für realistisch.

Der «Facebook-Regierungsrat»
Mit seiner fleissigen Präsenz auf Facebook (3737 Freunde, Stand gestern), die ihm auch Kritik eintrug, gilt Amsler bei Freund und Feind als ein Politiker, der es versteht, sich und seine Aktivitäten in einem guten (Rampen-)licht darzustellen. Sein langjähriger Weggefährte Eduard Looser meint dazu: «Christian ist eine Person, die sich gerne selber in den Vordergrund stellt. Die den grossen Auftritt mag. Das sehen natürlich nicht alle gerne.» Looser hat als Gründungsrektor der Pädagogischen Hochschule seinen Prorektor Amsler indes auch als effizienten Schaffer erlebt – Amsler hatte in der Aufbauphase ab 2003 die Verwaltung und die Finanzen nebst dem Bereich Lehrerinnen- und Lehrerweiterbildung, Berufseinführung und einem didaktischen Zentrum inne. «Christian ist ein Macher, und weniger ein Philosoph», sagt Looser. Die beiden sind auch Nachbarn in der Gemeinde Stetten, wo Amsler acht Jahre Gemeindepräsident war. «Seine Stärke hat er auch später als Regierungsrat unter Beweis gestellt, wenn es um die Umsetzung von einmal beschlossenen Projekten ging.» Looser wünscht sich, dass Amsler den Sprung in die kleine Kammer in Bundesbern schafft. «Für Schaffhausen wäre es wichtig, wenn dort jemand sitzt, der sachbezogene Allianzen bilden kann und nicht als Einzelmaske politisiert.»

«Christian ist ein Macher und weniger ein Philosoph.»
Eduard Looser, Ex-PHSH-Rektor und Weggefährte

Beachtliche mediale Bekanntheit erlangte Amsler nicht erst in seiner – letztlich aussichtslosen – FDP-internen Bundesratskandidatur im letzten Jahr. National in Erscheinung getreten ist Amsler vor allem als Präsident der Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) und als solcher bisweilen als «Vater des Lehrplans 21» apostrophiert.

Der damalige Präsident der Gesamtschweizer EDK und heutige Nationalrat Christoph Eymann (Liberaldemokratische Partei) hat mit Amsler eng zusammengearbeitet und ihn vor allem «als ausgesprochenen Teamplayer erlebt. Christian hat es stets verstanden, die anderen zu überzeugen und so zu Verbündeten zu machen. Diese Eigenschaften sind im Ständerat enorm wichtig.» Würde Amsler ins Stöckli gewählt, so müsste er per Ende November aus dem Regierungsrat zurücktreten. Christian Amsler räumt ein, dass die jüngsten Ereignisse für sein Umfeld und für seine Familie eine Belastung gewesen seien. «Ich habe einige Male schlecht geschlafen. Aber jetzt ist Zeit, nach vorne zu blicken.»

Christian Amsler über ...
… sein Engagement «Seit meiner Jugend gilt: Die politische Arbeit gefällt mir ganz einfach!» (Erster politischer Eintrag auf Facebook am 15. August 2009.)

… sein Departement «Als Bildungsdirektor steht man halt immer ein wenig zwischen den Ansprüchen von links und von rechts, von oben und von unten. Manchmal steht man schon im Zentrum eines Orkans, das muss man als Politiker aber aushalten. Ich habe ja bekanntlich breite Schultern.» (Schaffhauser Fernsehen, «Hütt im Gschpröch» vom 11. November 2017.)

… den Regierungsrat «Die Regierung ist kein Kuschelgremium.» ( SN vom 4. Januar 2014.)

… seine Bundesratskandidatur 2018 «Wer so fragt, muss ein Brett vor dem Kopf haben, das dicker ist, als ein Eichenstamm im Randenwald.» («Luzerner Zeitung» vom 13. November 2018, auf die Frage eines Journalisten, warum er bei der «Alibiübung» überhaupt mitmache.)

… seine Ständeratskandidatur «Ich war in den letzten Wochen sicherlich schon fast wie ein Rennpferd in Richtung Bern unterwegs. Ob ich das beste Zugpferd bin, muss aber meine Partei beurteilen.» (SN vom 20. November 2018.)

… das SVP-Apfel-Plakat «Eine Listenverbindung mit der SVP würde mich zurzeit wohl eher Stimmen kosten, als dass sie mir welche bringt.» (Statement an der FDP-Parteiversammlung am 18. August 2019)

Zur Person Christian Amsler
Partei : FDP
Alter : 55
Wohnort : Stetten
Zivilstand : verheiratet, drei Kinder
Beruf : ausgebildeter Primarlehrer, später Prorektor an der Pädagogischen Hochschule.
Politik : Regierungsrat seit 2010 Vorsteher Erziehungsdepartement), zuvor Kantonsrat und Fraktionschef (2003 bis 2009). Gemeindepräsident Stetten (2000 bis 2008), 2013 bis 2016 Präsident der Konferenz der Erziehungsdirektoren der Deutschschweiz
Militär: Oberst a. D.
Hobbys: Klavierspiel (Jazz), Sport, Natur