Aktuelles / Notizen

20.05.2010

Stärkung des Lehrerberufs ist dringend (Artikel in den Schaffhauser Nachrichten)


Der Beruf des Lehrers und der Lehrerin soll von der Gesellschaft wieder mehr geschätzt werden. Dafür will das kantonale Erziehungsdepartement kämpfen.

von Christian Amsler*

Es studieren zu wenige junge Männer und Frauen an den Pädagogischen Hochschulen den Beruf der Lehrerin und des Lehrers. Wir stehen vor einem massiven Lehrermangel, unter anderem auch weil in den nächsten Jahren überdurchschnittlich viele Lehrpersonen in den Ruhestand treten. Die Demografie fordert uns trotz vorübergehend sinkenden Schülerzahlen auch im pädagogischen Umfeld stark heraus. Der Beruf der Lehrerin, des Lehrers muss attraktiv sein für junge Menschen, die vor der Berufswahl stehen und viele Optionen haben. Wir haben alles daranzusetzen: Es muss sich lohnen, diesen attraktiven Beruf zu ergreifen. Die Persönlichkeit der Lehrperson ist der Schlüssel und die wichtigste Bedingung für den Schulerfolg unserer Kinder und Jugendlichen. Wir alle können wesentlich dazu beitragen, indem wir der verantwortungsvollen und herausforderungsreichen Arbeit der Lehrerinnen und Lehrer Wertschätzung und Anerkennung entgegenbringen.

Ja, es stimmt, Lehrermangel gab es auch schon früher. Es ist dies eine überregionale Erscheinung, welche nur unwesentlich vom Kanton Schaffhausen gesteuert werden kann. Dieses Phänomen tritt azyklisch auf und kann, wie die Erfahrung zeigt, nur sehr bedingt für eine grössere Zeitspanne vorausgesagt werden. Es spielen Konjunkturfragen und damit der Arbeitsmarkt, das Berufsimage, die Vorgaben zu Ausbildungs- und Nachqualifikationskonzepten der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) auf interkantonaler Ebene eine ungleich wesentlichere Rolle als die Anstellungs-, Arbeits- und Weiterbildungsbedingungen auf kantonaler Ebene. Es ist falsch, nur zu reagieren, wenn man proaktiv agieren kann. Dazu ist jetzt der richtige Zeitpunkt. Ich bin überzeugt, dass es sich ganz besonders lohnt, sich auf das leider sinkende Berufsimage zu fokussieren. Der Kanton Schaffhausen hat in den vergangenen Jahren gleich wie alle umliegenden Deutschschweizer Kantone jeweils in der konkreten Situation des Lehrermangels mit adäquaten Massnahmen reagiert, wie zum Beispiel mit den sogenannten Quereinsteigerkursen oder auch der vermehrten Einstellung von deutschen Lehrpersonen, die aufgrund unserer Grenzlage und der guten Arbeitsbedingungen an einer Anstellung an einer Schaffhauser Schule sehr interessiert sind und über gute berufliche Qualifikationen verfügen. Das azyklische Verhalten von Nachfrage und Angebot auf dem Stellenmarkt für Lehrpersonen spielt also bereits seit Jahrzehnten. Die Interventionen haben bisher oft erst zu einem Zeitpunkt gegriffen, an dem die Extremsituation bereits überwunden war. Kritisch sind – das zeigt die Erfahrung – die ersten Berufsjahre. Die Wahrscheinlichkeit, dass junge Lehrpersonen rasch desillusioniert sind, ausbrennen und damit der Schule verloren gehen, ist hoch. Aufgrund dieser Erfahrungen verstärken wir im Kanton Schaffhausen die berufsbiografische Begleitung und haben ein tragfähiges Qualitätskonzept entwickelt. Im Rahmen der Berufseinführung an der Pädagogischen Hochschule Schaffhausen (PHSH) werden Lehrpersonen während ihrer ersten Berufsjahre sehr eng begleitet und betreut. Anpassungen der EDK aufgrund der Bologna-Reform in den Ausbildungskonzeptionen für die Pädagogischen Hochschulen (zum Beispiel Bachelorabschluss und 7-Fächer-Profile für die Primarstufe, Masterabschluss und Reduktion auf vier Fächer für die Sek I), welche in den vergangenen Jahren eine Attraktivierung des Berufes hätten bewirken sollen, führten bisher noch nicht zu der erhofften Erhöhung der Anzahl Studierender. Die Hürden wurden höher angesetzt, das Fächerspektrum wurde kleiner, und die Anforderungen für eine berufsbegleitende Nachqualifikation von der Primar- zur Sekundarlehrperson oder in einem weiteren Fach sind in einem bedingt zumutbaren Segment angesiedelt worden. Die hohen Qualitätsansprüche sind im Grundsatz zu begrüssen, wenn sie auch offensichtlich bei Behörden und der Politik einer Gewöhnungszeit bedürfen. Der Schaffhauser Regierungsrat erachtet die hohen Qualitätsanforderungen bei der Lehrerausbildung auch in Zeiten von Lehrerknappheit als nicht verhandelbar. Die grosse Herausforderung in den nächsten Jahren wird sein, nicht nur hinreichend viele, sondern auch hinreichend geeignete Personen für den Lehrberuf zu gewinnen, diese bestmöglich auf ihren anspruchsvollen Beruf vorzubereiten und sie in ihrer beruflichen Laufbahn geeignet zu stützen und zu fördern. Was wurde konkret in den letzten Jahren gemacht? Zu nennen sind insbesondere folgende Massnahmen:

• Beschluss des Regierungsrates vom 9. Juni 2009 zur Weiterführung und Stärkung der eigenen PHSH. • Anpassung der Unterrichtsverpflichtung und Arbeitsbedingungen zur Erhaltung der Attraktivität im Vergleich zu umliegenden Kantonen (Anpassung der Klassengrössen, Reduktion der Unterrichtsverpflichtung und Erhöhung der Altersentlastung per 1. August 2003). • Enge begleitende Unterstützungshilfen in der Phase der Berufseinstiegsphase durch die Berufseinführung (BEF) der PHSH. • Kantonale berufsbegleitende Nachqualifikation von Primarlehrpersonen für die Sekundarstufe I in zwei Ausnahmephasen. • Quereinsteiger-Ausbildung für Lehrpersonen der Primarstufe (dreijähriger Lehrgang ab Schuljahr 2002/2003). • Unterstützung der Nachqualifikation von Lehrpersonen für eine höhere Stufe, für weitere Fächer oder Schulische Heilpädagogik. • Begleitung und Beratung von nicht adäquat ausgebildeten Lehrpersonen durch die Schulaufsicht und durch Mentorate. • Qualitätskonzept zur Anstellung und Einsatzplanung von Lehrpersonen im Kanton Schaffhausen.

Das allein genügt aber nicht. Wesentlich sind eben neben den «harten» auch die «weichen» Faktoren. Und genau da geht es ums Image des Lehrerberufs. Wir sind uns bewusst, dass gut ausgebildete und motivierte Lehrpersonen eine ausgezeichnete und daher nicht verzichtbare Basis für ein erfolgreiches Funktionieren von Schule und Unterricht im Kanton Schaffhausen darstellen. Das Erziehungsdepartement setzt einen klaren Schwerpunkt bei den Lehrerinnen und Lehrern. Der direkte Dialog zwischen Erziehungsdepartement und Lehrerschaft wird gelebt. Im direkten Kontakt soll genau erörtert werden, wie die Lehrpersonen konkret unterstützt werden können. Es gilt aber auch in der Öffentlichkeit, dem Lehrerberuf Wertschätzung entgegenzubringen und aktiv an einem guten Image mitzuarbeiten. Ich stelle zum Schluss eine mutige These in den Raum: Wir haben die Pflicht und Schuldigkeit, dafür zu sorgen, dass die allerbesten jungen Leute den Beruf der Lehrerin, des Lehrers ergreifen. Dieser Beruf darf nicht ein Notnagel sein und im Sozial-Image-Ranking nicht irgendwo am Ende herumdümpeln. Für die nachhaltige Wirkung in die Zukunft der zwanzig anvertrauten Kinder ist es genauso wichtig, wer mit dieser Aufgabe als Lehrperson betraut ist, wie, wer der grössten Schweizer Firma vorsteht oder wer als Erziehungsdirektor ein grosses Departement führt. Wir haben in Schaffhausen engagierte und gute Lehrerinnen und Lehrer. Unmissverständlich stelle ich mich als Erziehungsdirektor vor sie, setze aber auch klare Ziele und stelle hohe Erwartungen an sie. Ich wehre mich entschieden gegen das unsägliche «Lehrer-Bashing» der letzten Jahre. Zu oft waren die Pädagoginnen und Pädagogen der Schmutzkübel der Gesellschaft. In vielen Gesprächen mit Lehrpersonen höre ich immer wieder, dass es gar nicht der Lohn oder sonstige Rahmenbedingungen seien, die ihre strenge Arbeit deutlich erleichtern würden. Nein, viel eher ist es Wertschätzung und positive Unterstützung aus dem Elternhaus mit einem gemeinsamen Ziehen am Strick zum Wohle der Kinder. Sie alle, die diese Zeilen lesen, stehen mit mir zusammen in der Verantwortung. Wir alle haben die Frage des drohenden Lehrermangels ernst zu nehmen und müssen uns bewusst sein, dass sich die Lage eher verschärfen als entspannen wird. Die Sache ist ganz einfach: Wir haben gemeinsam dafür zu sorgen, dass die Lehrerinnen und Lehrer ihre verantwortungsvolle Arbeit mit den ihnen anvertrauten Kindern gut machen können. Dafür braucht es gute Rahmenbedingungen und vor allem Anerkennung, Wertschätzung und positive Unterstützung von uns allen.

* Christian Amsler ist Erziehungsdirektor des Kantons Schaffhausen. Der 46-jährige FDP-Regierungsrat ist als Vorsteher des Erziehungsdepartementes zuständig für Bildung, Sport, Kultur, Familien- und Jugendpolitik und Kirchen.

«Die Wahrscheinlichkeit, dass junge Lehrpersonen rasch desillusioniert sind, ausbrennen und der Schule verloren gehen, ist hoch»

«Der Regierungsrat erachtet die hohen Qualitätsanforderungen bei der Lehrerausbildung als nicht verhandelbar»

Lehrermangel Zahlen und Fakten – mehr Pensionierungen und steigender Frauenanteil

Die Kurve der abnehmenden Schülerzahlen und des Stellenrückganges flacht ab, eine grössere Zahl von Pensionierungen löst einen höheren Bedarf an Lehrpersonen aus. Die aktuell Studierenden an den Pädagogischen Hochschulen decken den hochgerechneten Bedarf in den kommenden Jahren nicht ab. In den nächsten Jahren prognostiziert das Bundesamt für Statistik (BfS) eine Zunahme von 45 Prozent Pensionierungen im Jahre 2018 gegenüber 2008 bei Lehrpersonen der Primarstufe und eine Zunahme von 20 bis 25 Prozent Pensionierungen bei Lehrpersonen der Sekundarstufe I. Zudem ist die zunehmende Feminisierung im Lehrerberuf leider ein untrügliches Zeichen der sinkenden Wertschätzung dieses Berufs. Der Frauenanteil auf der Primarstufe, der 1997 noch 72 Prozent betrug, dürfte von 80 Prozent im Jahre 2008 auf 84 Prozent im Jahre 2018 ansteigen. Auf der Sekundarstufe I dürfte er 2018 zwischen 51 und 54 Prozent liegen (1997: 47 Prozent).