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16.08.2013

Dann kann der Amsler zum Löwen werden...


Bankgeschichten in der Sommerserie SN

SN-Sommerserie: Bank-Geschichten (IX), heute: Die Schulbank mit Regierungsrat Christian Amsler, Vorsteher des Erziehungsdepartements

Die Zeiten, als Christian Amsler in Dörflingen die Schulbank drückte, sind längst vorbei. Mit der Schule hat er aber heute noch zu tun.

Foto von Selwyn Hoffmann, Schaffhauser Nachrichten

«Vom Lehrer bis zum Bundesrat lasse ich mir alles offen. Aber 2016 trete ich sicher wieder als Regierungsrat an»

VON ERWIN KÜNZI

«Ich hatte eine wunderbare Primarschulzeit, sie hat mich geprägt», erklärt Christian Amsler, auf der SN-Bank sitzend, die zur Schulbank mu- tiert ist und jetzt vor dem alten Schulhaus in Dörflingen steht. In der Mittelstufe wurde er von Karl Isler unterrichtet, dem er in seinem Leben wieder begegnen sollte. Doch davon später. Und wie war der heutige Regierungsrat als Schüler? «Ich war brav – fast zu brav –, strebsam, ein guter Schüler.» Die Sekundarschule besuchte er dann in Schaffhausen. «Das war ein riesiger Wechsel, vom Dorf in die Stadt», erinnert er sich. In die Schule fuhr er immer mit dem Velo, pro Weg 8 Kilo- meter, und das viermal am Tag, bei jedem Wetter. Die Erlebnisse bei diesen Fahrten blieben haften: «Das war eine gute Zeit, und ich würde den Kindern von heute wünschen, dass sie so zur Schule kämen und nicht mit dem Elterntaxi, das leider immer üblicher wird.»

Dass der weitere Ausbildungsweg von Christian Amsler zum Lehrerpatent führte, lag irgendwie auf der Hand. Hermann Hirt, der Grossvater mütterlicherseits, war Lehrer, ebenso dessen Sohn, Ruedi Hirt. «Das Lehrerwerden war also genetisch bedingt», schmunzelt Amsler. Eines seiner Praktika als Seminarist absolvierte er in Dörflingen bei – Karl Isler. «Das war schon sehr speziell», so Amsler. Bei diesem und anderen Übungseinsätzen merkte Amsler, dass ihm die Mehrklassenschulen lagen, und dorthin wollte er, nachdem er mit 19 Jahren das Oberseminar abgeschlossen hatte, auch hin. Zuerst unterrichtete er aber als Stellvertreter im Bachschulhaus eine vorwiegend aus Mädchen bestehende Klasse in Physik, Chemie und Mathematik. «Als junger Lehrer wurde ich da angehimmelt, der Altersunterschied war ja nicht so gross. Aber: Ich hatte das stets im Griff und hielt sie auf Distanz», so Amsler. Die nächste Stelle war dann von Dauer: In Stetten unterrichtete Christian Amsler 10 Jahre lang die 5. und die 6. Klasse. Anschliessend übernahm er die Leitung des Didaktischen Zen- trums an der Pädagogischen Hochschule, wo er später als deren Prorektor arbeitete, bevor er 2009 in die Regierung gewählt und dort Chef des Erziehungsdepartements wurde. Dort prägen diverse Spannungsfelder seine Arbeit. Das eine ist das Verhältnis zu den Lehrkräften. «Es schmerzt mich, wenn ich Schlagzeilen lesen muss, ich hätte Knatsch mit den Lehrern», sagt Amsler. Er habe viele Kontakte, nicht zuletzt wegen seiner Schulbesuche. Aber die Rollenverteilung sei klar. Er sei bestrebt, für die Lehrkräfte und ihre wichtige Arbeit ein gutes Umfeld zu schaffen, müsse aber auch unpopuläre Entscheidungen fällen. Diese Entscheidungen haben ihren Ursprung oft im zweiten Spannungsfeld, dem sich Amsler ausgesetzt sieht: Er möchte in der Regierung möglichst viel für die Bildung herausholen, kommt aber naturge- mäss nicht mit allen Anliegen durch. Er meint dazu: «Dass sich in der Regierung alle für ihre Bereiche einsetzen, ist legitim. Aber da gibt es auch immer die über-geordneten Interessen des Kantons. Und bei einem Defizit von rund 40 Millionen Franken liegt in allen Bereichen vieles nicht mehr drin.» Dann wird Amsler grundsätzlich: «Viele Politiker betonen, vor allem vor den Wahlen, die Wichtigkeit der Bildung. Nur müssten sie dann nach A auch B sagen, wenn es ums Zahlen geht. Wir klagen beim Sparen bei der Bildung zwar auf hohem Niveau, das habe ich gerade wieder bei meinem Besuch in den USA gesehen. Aber: Wir müssen der Bildung Sorge tragen, einen weiteren Abbau verträgt es nicht.» Und etwas muss Amsler in dieser Beziehung auch noch loswerden: «Was mich besonders stört, ist, wenn auf der Pädagogischen Hochschule herumgehackt wird, denn sie leistet sehr gute Arbeit, ist für den Bildungsstandort Schaffhausen eminent wichtig, und eine Schliessung wäre ein Eigentor. Wenn das jeweils gefordert wird, kenne ich kein Pardon, und der Amsler wird zum Löwen.»

Seit seiner Wahl zum Präsidenten der Erziehungsdirektorenkonferenz der Deutschschweiz ist für Christian Amsler ein weiteres Spannungsfeld hinzugekommen: die Diskussion um den Lehrplan 21. «Auf Kritik daran reagiere ich mit Ruhe und Gelassenheit», meint er. Der Lehrplan stelle spannende Fragen (Wie viel Computer baucht es in der Schule? Wie stark soll die Schule in Aufgaben des Elternhauses eingreifen?), die breit diskutiert werden müssten. «Ich bin offen gegenüber allfälligen Änderungen, bin aber vom Produkt Lehrplan 21 überzeugt und habe eine grosse Freude, es schweizweit zu vertreten», betont Amsler. Im November wird Christian Amsler 50 Jahre alt und hat damit noch 15 Jahre bis zur Pensionierung, beziehungsweise 13, wie er lachend erklärt: «Ich habe mich bei der Pensionskasse für Vorsorge plus entschieden.» Wie werden diese Jahre beruflich aussehen? «Ich bin sehr gerne im Erziehungsdepartement und glaube auch, dass diesem nach einigen Wechseln eine gewisse Kontinuität guttut.» 2016 werde er deshalb sicher wieder zur Wahl in den Regierungsrat antreten. Was nachher geschieht, ist offen. «Ich könnte mir vorstellen, für den Ständerat zu kandidieren, wo ich mein gutes Netzwerk optimal für den Kanton Schaffhausen nutzen könnte», überlegt er laut. Und der Ständerat müsste für Christian Amsler auch noch nicht die Endstation sein. «Schaffhausen hat ja noch nie einen Bundesrat gehabt», meint er schmunzelnd. Aber vielleicht kommt alles auch ganz anders: «Ich könnte mir auch vorstellen, mit meiner Frau eine Lehrerstelle zu teilen oder als Schulleiter zu arbeiten und so wieder zu meinen pädagogischen Wurzeln zurückzukehren. Mit anderen Worten: Vom Lehrer bis zum Bundesrat lasse ich mir für die Zukunft alles offen.»

Zur Person Christian Amsler, Regierungsrat

Kindheit Geboren am 21. November 1963. Aufgewachsen zuerst in São Paulo in Brasilien, dann in Dörflingen. Dort während 5 Jahren Besuch der Primarschule. Übername Keiner. «Ich war immer der Chrigel.» Erster Berufswunsch Lehrer. Werdegang Ausbildung zum Lehrer, dann 10 Jahre Lehrer der 5. und 6. Klasse in Stetten. Vor der Wahl 2009 in den Regierungsrat Leiter des Didaktischen Zentrums und der Lehrerweiterbildung sowie Prorektor der PHSH. Freunde Allein auf Facebook 1511. Leidenschaften CDs von Jazztrios sammeln, joggen, die Natur und Zeitungen lesen.