Aktuelles / Notizen

30.09.2013

Artikel im migrosmagazin /MM Ausgabe 40


RR Amsler zu Tagesschulen

Tagesschule tut not

Unsere Schulstrukturen sind veraltet. Ganztagsbetreuung täte Familien, Kindern und auch der Wirtschaft gut. Schicken Sie Ihre Kinder in eine Tagesschule, wenn Sie die Möglichkeit dazu haben? Stimmen Sie ab (rechts).

In der abgelegenen Berner Gemeinde Oberthal besuchen drei Viertel der Schülerinnen und Schüler die Tagesschule. In der Schule zu Mittag zu essen hat hier Tradition – früher war das wegen der langen Schulwege notwendig, heute ist diese Ganztagsbetreuung ein beliebtes Angebot. Tagesschulen sind aber in der Schweiz nach wie vor rar.

«Das Fehlen von Tagesstrukturen ist ein Problem», sagt Christian Amsler (49), Präsident der Deutschschweizer Erziehungsdirektoren-Konferenz. Mit dem Schuleintritt der Kinder beginnen oft die Schwierigkeiten: Familien- und Berufsleben lassen sich häufig nur noch schlecht vereinbaren.

«Tagesschulen sind eine grosse Chance», sagt Christian Amsler. «Für die Familien, die Kinder sowie die gesamte gesellschaftliche und wirtschaftliche Entwicklung.» Sie sind nicht nur für berufstätige Eltern eine Erleichterung. In den Tagesstrukturen können sich Kinder ideal sozialisieren, Migrantenkinder integrieren sich einfacher, Einzelkinder sind mit Gleichaltrigen ­zusammen. Auch die Wirtschaft braucht Tagesstätten. «Wir haben sehr viele gut ausgebildete Frauen, die gerne im Berufsleben bleiben möchten.» Und diese Frauen braucht das Land: Laut Studien fehlen dem Schweizer Arbeitsmarkt bis 2030 rund 400'000 Personen. «Wir hinken aktuellen Bedürfnissen hinterher. Das macht volkswirtschaftlich und gesellschaftspolitisch keinen Sinn.»

Leider herrscht in der Schweiz vielfach ein verkrampftes Verhältnis zur Ganztagsbetreuung. «Es führt in der Familienpolitik schnell zu einer Glaubensfrage», sagt Amsler. Er wünscht sich keine Gleichmacherei, sondern freie Wahl des Familienmodels für alle.

Tagesschulen können auch Schulen retten, wie im ländlichen Thayngen SH: Dank der Einrichtung einer Ganztagsbetreuung musste die Gesamtschule nicht geschlossen werden. Und erlebte sogar in kurzer Zeit grossen Zulauf.