Aktuelles / Notizen

30.12.2013

Grosses SN Interview


Thema Regierungspräsidium 2014

Hier findet sich das Interview als downloadbares PDF > Frontseite [PDF] und Interviewseite [PDF]

Eine Amtszeit wie ein Boogie-Woogie: So stellt sich der neue Schaffhauser Regierungspräsident Christian Amsler sein Jahr an der Spitze des Regierungsrats vor. «Der Boogie-Woogie hat einerseits einen grossen Vorwärtsdrive, andererseits gibt es in der Basslinie eine Kontinuität, die für einen guten Boden sorgt, während man in der Melodie improvisieren kann und verrückte Sachen möglich sind. Das entspricht mir», sagt er im Interview mit den «Schaffhauser Nachrichten». Er hat uns weiter verraten, mit wem er es in der Regierung am besten kann, ob er auf einen Sitz in Bern aspiriert und was er täte, wenn er für einen Tag König der Welt wäre.

Interview von Redaktor Zeno Geisseler / Fotos: Selwyn Hoffmann, Schaffhauser Nachrichten mit Regierungsrat Christian Amsler in den Schaffhauser Nachrichten, Samstag, 4. Januar 2014 zum Thema des Regierungspräsidiums 2014

Christian Amsler, eines ihrer Hobbys ist das Klavierspielen. Als neuer Regierungspräsident geben Sie auch im Schaffhauser Regierungsrat den Ton an. Was ist Ihre Melodie? Ein Boogie-Woogie, ein Walzer oder, Sie sind ja Oberst im Militär, ein Marsch?

Amsler: Ich spiele leidenschaftlich gerne Boogie-Woogie, und er hat durchaus Parallelen zur Politik.

Nämlich?

Amsler: Der Boogie-Woogie hat einerseits einen grossen Vorwärtsdrive, andererseits gibt es in der Basslinie eine Kontinuität, die für einen guten Boden sorgt, während man in der Melodie improvisieren kann und verrückte Sachen möglich sind. Das entspricht mir als Typ: unten ein solides Fundament, oben viele Entwicklungsmöglichkeiten.

Gibt es im Quintett der Regierung auch mal Misstöne?

Amsler: Selbstverständlich, wir sind uns längstens nicht immer einig – hoffentlich auch nicht, es wäre ja langweilig, wenn die Regierung von Anfang an immer auf der gleichen Linie wäre. Die Regierung ist ein Abbild von verschiedenen Menschen und politischen Richtungen. Es gibt harte Auseinandersetzungen und schwierige Diskussionen. Diese Meinungsvielfalt soll der Präsident auch zulassen, auch wenn es manchmal eine Gratwanderung und eine Herausforderung ist, die ich aber gerne annehme.

Mit wem verstehen Sie sich in der Regierung am besten?

Amsler: Ich schätze alle vier Kolleginnen und Kollegen in ihrer Eigenart. Von der Natur her sind wir alle eher Alphatiere, es geht also darum, fünf führungsstarke Personen unter einen Hut zu bringen, was nicht immer einfach ist. Meine Kollegin Ursula Hafner-Wipf sagt immer, die Regierung sei kein Ponyhof, und das ist so. Wir sind kein Kuschelgremium, und das ist schon auch richtig, sonst kämen wir zu keinen guten Lösungen.

In unserem System ist es keine grosse Leistung, Regierungspräsident zu werden. Die Wahl durch den Kantonsrat ist eine Formsache, jedes Mitglied der Regierung kommt einfach früher oder später einmal an die Reihe. Stört Sie das?

Amsler: Nein, überhaupt nicht. Dies entspricht sehr unserem demokratischen System. In der Regierung sind alle gleich stark, wir sind alle im gleichen Boot und niemand darf zu mächtig werden. Es ist schön, wenn man das Präsidium übernimmt, aber es ist auch schön, das Amt nach einem Jahr wieder an eine Kollegin oder an einen Kollegen übergeben zu dürfen.

Regierungspräsident zu sein, hat positive Seiten, es hat aber auch einen grossen Nachteil: Wenn man es mal gewesen ist, geht es politisch im Kanton nicht mehr weiter hinauf. Jetzt will die Schaffhauser FDP ja 2015 wieder nach Bern. Werden Sie für den Stände- oder den Nationalrat kandidieren?

Amsler: Weder noch, und das habe ich auch schon öffentlich gesagt. Das Bildungswesen im Kanton hat eine gewisse Kontinuität verdient, ich übe mein Amt mit Freude und Herzblut aus und möchte weiterhin Regierungsrat bleiben.

Gilt diese Absage absolut und ewig?

Amsler: Natürlich würde mich es reizen, als Ständerat Schaffhausen in Bern zu vertreten. Es sprechen mich auch immer wieder Leute darauf an. Aber eben, 2015 kandidiere ich sicher nicht, und was später kommt, werden wir sehen. Ich bin ja erst gerade 50 geworden.

Worauf freuen Sie sich in Ihrem Präsidialjahr am meisten?

Amsler: Wir haben ein spannendes Jahr vor uns, unter anderem gibt es einige Jubiläen zu feiern, bei denen ich als Regierungspräsident dabei sein werde. Herblingen feiert am 31. Mai und 1. Juni 50 Jahre Eingemeindung, am 28. Juni ist Dörflingen, wo ich aufgewachsen bin, mit der 750-Jahr-Feier an der Reihe und am 24. August gibt es in Hallau die 950-Jahr-Feier. Weiter ist Schaffhausen an die Feier 200 Jahre Genf im Bund eingeladen, allerdings kann ich an diesem Fest nicht teilnehmen, weil es am gleichen Datum wie Herblingen stattfindet. Dann das grosse Kantonalschützenfest, das ich als OK-Präsident leite. Erwähnen möchte ich weiter, dass der Kanton Schaffhausen Gastkanton an der traditionellen Bundesfeier des Schweizer Konsulats in Stuttgart ist. Diese Feier findet am 31. Juli statt. Auch privat habe ich etwas zu feiern, denn meine Frau und ich sind im kommenden Jahr 25 Jahre verheiratet – (schmunzelt) wir haben uns als Weihnachtsgeschenk sogar neue Eheringe geleistet.

Was sind politisch die grossen Herausforderungen?

Amsler: Es sind fünf grosse Blöcke. Der erste Block sind die Finanzen. Wir haben immer noch eine Differenz von 40 Millionen Franken zwischen Einnahmen und Ausgaben. Der zweite Block ist die demografische Entwicklung, sie spielt in alles hinein, bei mir in der Schule, aber auch in der Gesundheitspolitik, in der Raumplanung. Der dritte Punkt ist die Struktur des Kantons, das ist eines der spannendsten Themen, das sicher spannende Diskussionen geben wird. Dazu wird es ja auch eine Volksbefragung geben. Der vierte Block ist der Umbau der Energieversorgung, der Ausstieg aus der Kernenergie, das ist landesweit eine riesige Herausforderung. Hier bin ich noch resoluter als andere, es tut mir bspw. weh, wenn nun gerade linke und grüne Kreise gegen jedes Wasser-, Wind oder Solarprojekt opponieren. Ich finde, wir müssen Konzessionen machen.

Auch am Rheinfall?

Amsler: Ja, auch am Rheinfall. Diese Energie können wir doch besser nutzen, ohne, dass es zu einer Beeinträchtigung kommt.

Es fehlt noch ein Punkt auf ihrer Liste.

Amsler: Der letzte Block sind die verschiedenen Investitionen und Vorhaben, etwa die nötige Sanierung der Spitäler Schaffhausen oder die Idee eines Hochschulcampus am Rheinfall. Das würde Schaffhausen voranbringen! Dazu werden wir in diesem Jahr noch einiges hören und politisch zu diskutieren haben..

Mit der Schule ist es wie mit dem Fussball: Jeder kann mitreden und weiss besser, wie man Tore schiesst. Belastet Sie das manchmal?

Amsler: Nein. Es stimmt, Bildungsthemen bewegen stark, praktisch keine Sonntagszeitung kommt ja heutzutage ohne grossen Bildungsbericht mehr aus. Aber ich bin grundsätzlich ein positiv denkender Mensch und ich schaue es auch von dieser Seite aus an: wir haben eine Volksschule und wenn möglichst viele Leute an dieser Volksschule mitbauen und ihre Meinung einbringen wollen, dann kann ich das nur unterstützen. Ich würde nie behaupten, dass ich alleine weiss, was eine gute Schule ausmacht.

Sie waren lange Mitglied des Kantonsrats, führten Ihre Fraktion und waren auf dem Weg zum Kantonsratspräsidium, als Sie in die Regierung gewählt wurden. Reizt es Sie nicht manchmal, wieder in der Legislative zu politisieren?

Amsler: Ich bin sehr gerne Regierungsrat. Ich möchte aber meine Zeit im Parlament nicht missen, genau so wenig wie mein Amt als Gemeindepräsident von Stetten. Ich habe mir dort sicher u.a. das Rüstzeug für meine heutige Aufgabe geholt.

Auf Ihrer Website schreiben Sie, «In der Jugendriege war der Handstand eine meiner Lieblingsübungen.» Was ist Ihre politische Lieblingsübung? Der Hosenlupf?

Amsler: Nein, obwohl ich die Postur eines Schwingers hätte und ich die Geste, dass der Gewinner dem Verlierer das Sägemehl vom Rücken wischt, sehr schätze. Unser politisches Kräftemessen gleicht eher einem Armdrücken: manchmal gewinnt die eine Seite, manchmal die andere.

Sie sagen auf Ihrer Website weiter, «Veränderungen werden nur ausgelöst, wenn man Normen auch mal auf den Kopf stellt und Gewohntes und Liebgewordenes durchbrechen kann.»

Amsler: Das entspricht mir sehr. Es ist wichtig, auch mal einen anderen Hut anzuziehen und dem Gegenüber, auch wenn es eine andere Meinung hat, ein gewisses Grundverständnis entgegen zu bringen. Mit dem Zitat möchte ich aber auch sagen, dass man den Mut haben muss, etwas von einem ganz anderen Blickwinkel her zu betrachten oder ganz über Bord zu werfen.

Sie wirken nie gestresst. Täuscht dieser Eindruck?

Amsler: Ich versuche, die Balance auch bei grossem Druck zu behalten, auch wenn das natürlich nie gleich leicht fällt. Ich glaube aber, dass ich ein ausgeglichener Mensch bin und gut mit Druck umgehen kann Ich habe breite Schultern. Jedenfalls kann ich Ihre Leserinnen und Leser beruhigen: ich schlafe jede Nacht gut.

Wer ist eigentlich ihr Vorbild?

Amsler: Schon als Kind hat mich John F. Kennedy stark beeindruckt. Ich kam einen Tag nach seiner Ermordung auf die Welt, meine Mutter erzählte mir später, wie gross der Schock über die traurige Nachricht im Schaffhauser Spital war. Kennedy hatte auch seine Schattenseiten, aber ich fand es immer faszinierend, wie ein so junger Mann das Land bewegen konnte.

Kennedys grosses Ziel war es, einen Mann auf den Mond zu bringen. Was ist Ihr persönliches Mondlandeprojekt?

Amsler (lacht): Ich bin da bescheidener. Ich wünsche mir, dass die Stadt Schaffhausen einen direkten Top-Rheinanschluss bekommt. Ich glaube, das würde dieser Stadt und der Region sehr viele Impulse verleihen.

Zum Schluss möchte ich Sie bitten, die folgenden drei Sätze zu ergänzen. Erstens: Mein Lieblingsfach in der Schule war ...

Amsler: ... ganz klar die Geographie. Reisen, ferne Länder und Kulturen faszinieren mich seit jeher, ich habe dieses Fach wirklich sehr gerne gehabt.

Der zweite Satz: Wenn ich einen Tag König der Welt wäre, dann ...

Amsler: Der Welt? In unserer Demokratie sind Könige ja nicht gern gesehen. Aber wenn ich so viel Macht hätte, würde ich meine ganze Kraft dafür einzusetzen, Völker zu einen und Friede zu bringen, was allerdings an einem einzigen Tag nicht zu vollbringen wäre.

Der letzte Satz: Mein grösster Wunsch ist es ...

Amsler: ... dass die Schaffhauserinnen und Schaffhauser mehr das Positive sehen und erkennen, wie gut es wir in unserer Region eigentlich haben.

Herr Regierungspräsident, besten Dank für dieses Gespräch.

«Natürlich würde es mich reizen, Schaffhausen als Ständerat in Bern zu vertreten. Aber 2015 kandidiere ich nicht»

«Wir haben eine Volksschule, und wenn viele Leute an dieser Schule mitbauen wollen, dann kann ich das nur unterstützen»

Zur Person Christian Amsler

Persönliches Geboren am 21. November 1963. Verheiratet mit Liliane Amsler, eine Tochter und zwei Söhne. Politik Regierungsrat (Erziehungsdirektor; seit 1. April 2010), Präsident der Konferenz der Erziehungsdirektoren der Deutschschweiz (seit 1. Januar 2013). Vizepräsident der FDP des Kantons Schaffhausen. 2003 bis 2010 FDP-Kantonsrat, Fraktionschef. 2000 bis 2008 Gemeindepräsident von Stetten. Vor der Wahl in die Kantonsregierung Prorektor Weiterbildung und Dienstleistungen Pädagogische Hochschule Schaffhausen. Militär Oberst, Stab Inf Br 7, Projekt Sicherheitsverbundsübung 2014 (SVU 14). Sonstiges Präsident OK Schaffhauser Kantonalschützenfest 2014. Mitglied von Kiwanis.