Aktuelles / Notizen

20.01.2015

Interview St. Galler Tagblatt


mit Christian Amsler zum LP21

Es hat sich fast in der ganzen Deutschschweiz Widerstand gegen den Lehrplan 21 formiert. Haben Sie mit dieser Intensität gerechnet? 

Ich erlebe eigentlich wesentlich mehr Zustimmung zum Lehrplan als Kritik. Es liegt in der Natur der Sache und der Zeit, dass die Kritiker einfach viel lauter rufen! Sicher gibt es überall Leute, die kritisch zum Lehrplan stehen – das ist ihr gutes Recht. Aber unter dem Strich ist die Zustimmung zum neuen Lehrplan wesentlich grösser als die Kritik und der Widerstand wesentlich kleiner als die Medien dies darstellen. Das hat insbesondere auch die positive Konsultation zum Lehrplan gezeigt. 

Wie viel Gewicht/Bedeutung messen Sie der Opposition gegen den Lehrplan 21 zu? 

Das werden wir sehen, wenn die Kantone ihre internen Entscheidungsprozesse durchführen. Die D-EDK hat ja nun den Lehrplan den Kantonen zur selbstgesteuerten Einführung übergeben. Damit spielt die Musik nun in den Kantonen und ich kann als Dirigent des Lehrplan 21 den beteiligten Musiker aus der Ferne beim Proben zusehen J Nein, aber im Ernst: Ich bin zuversichtlich, dass der Lehrplan mehrheitlich Zustimmung finden wird. 

Welche Kantone sind aus Ihrer Sicht die grössten Sorgenkinder und weshalb? 

Wir haben keine Sorgenkinder! Die Bildungshoheit liegt bei den Kantonen, und die entscheiden in eigener Zuständigkeit nach demokratischen Grundsätzen, ob und wann sie den Lehrplan einführen. Wenn sie den Lehrplan 21 nicht einführen, müssen sie auf andere Weise sicherstellen, dass sie den Harmonisierungsauftrag der Bundesverfassung umsetzen. Dazu sind sie verpflichtet, aber wie sie es tun, darin sind sie frei. Wenn einzelne Kantone sich für einen anderen Weg entscheiden, ist damit das Harmonisierungsziel noch nicht in Frage gestellt. Unschön ist allerdings die damit verbundene zeitliche Verzögerung der Harmonisierung. Vor diesem Hintergrund hatte ich persönlich keine Freude am Entscheid des Kantons Aargau, die Einführung des Lehrplans 21 auf 2020 zu verschieben. Aber auch der Kanton Aargau ist selbstverständlich souverän und frei in den Entscheidungen. 

Kantone, die nicht dem Harmos-Konkordat angehören, sind nicht verpflichtet, den LP 21 einzuführen. Allerdings sind sie verpflichtet, Dauer und Ziele der Schulstufen zu harmonisieren. Was passiert also, wenn sich einer dieser Kanton gegen den Lehrplan 21 entscheidet? Welche Kosten entstehen ihm, wenn er selber einen neuen Lehrplan erarbeiten muss? 

Kein Kanton ist verpflichtet, den Lehrplan 21 einzuführen, auch die HarmoS-Kantone sind dies nicht. Das HarmoS-Konkordat verpflichtet die Kantone, ihre Lehrpläne zu harmonisieren. Eines ist für mich klar: Am einfachsten ist dies, wenn sie den Lehrplan 21 einführen. Sie könnten aber auch einen eigenen entwickeln, dessen Ziele in den wesentlichen Teilen ähnlich sind wie beim Lehrplan 21. Wieviel das kosten würde, hängt davon ab, wie man die Erarbeitung organisiert und namentlich, wie viele Leute man in die Erarbeitung einbezieht. Bei einer guten Abstützung bei der Lehrerschaft und in der Fachwelt dürften die Kosten für einen Kanton mittlerer Grösse mehrere Millionen betragen. Das war ja genau eine der grossen Stärken des gemeinsamen Lehrplan 21 der 21 Deutschschweizer Kantone. In vielen Kantonen wären sowieso Neu- oder Fortschreibungen der bestehenden Lehrpläne angestanden, die in der Summe massiv mehr Kosten nach sich gezogen hätten. In unserer komplexer gewordenen Welt sind doch Kooperationen als Gebot der Stunde gefragt. Alleingänge sind zu teuer und machen in unseren engen geografischen Räumen keinen Sinn. Davon bin ich felsenfest überzeugt!

(Interview: Marina Winder, St. Galler Tagblatt)