Schaffhauser Dichterpfad
Der Schaffhauser Dichterpfad wurde im Jahr 2001 im Rahmen des Jubiläums Schaffhausen 500 erstellt und gilt heute als nachhaltigstes Projekt dieses Anlasses. Er verläuft entlang von sieben Routen, die durch alle Regionen des Kantons Schaffhausen führen. Die Gedichte der meist lokalen Schriftstellerinnen und Schriftsteller sind nicht nur auf Tafeln entlang der Dichterpfade, sondern auch in einer handlichen Broschüre verzeichnet. Dort finden sich auch Wegbeschreibungen und Kartenmaterial.
Hauptziel der Dichterpfad-Initianten war es, Natur mit Kultur zu verbinden und Interessierten Gelegenheit zu bieten, sich aktiv zu bewegen und neue Entdeckungen zu machen. Dank grosszügiger finanzieller Unterstützung von Privatpersonen und Unternehmen konnte der Dichterpfad im Herbst 2017 erneuert werden.
Hauptinitianten des Schaffhauser Dichterpfads waren Dr. Alfred Richli und Martin Harzenmoser, unterstützt durch Joseph Halytskyj, Christian Amsler und Erwin Knupfer. Ausgesteckt wurden die Dichterpfadtafeln ursprünglich von Werkklassenlehrer Mathias Häberli und seinen Schülern. Im Dezember 2017 wurde ein Grossteil der Tafeln und Pfähle durch den Neuhauser Werkklassenlehrer Urs Sonderer und seine Klasse ersetzt. Ein grosser Dank gebührt auch den Mitgliedern des Schaffhauser Mundartvereins, welche zuvor eine Schadenserhebung durchgeführt haben.
Im Jahr 2021 hat alt Regierungsrat Christian Amsler alle Texte aus dem Band Schaffhauser Dichterpfad digitalisiert und diese grossartigen Texte der Schaffhauser Mundartliteratur seien hiermit der Öffentlichkeit zugänglich. Es ist uns ein Anliegen, dass die Texte der Schaffhauser Autorinnen und Autoren und die Mundart der Schaffhauser Regionen weitergetragen werden und auch auf kommende Generationen übergehen.
> Download alle Texte Schaffhauser Dichterpfad
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SÜDRANDEN
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Weihermorgen
Ruth Blum
Geöffnet hast du mir das Haar,
nun fällt es ohne Band und Spangen
in deine Hand. Und wunderbar
lieg ich an deiner Brust gefangen
am Weiherufer. Blüten ziehn,
wie deine Hand auf meinem Blute,
im Wasser. Schaudernd sink ich hin
ins kühle Bett, dass ich verglute.
Und du mit mir. Hoch steigt der Schaum
im Wellentanz. Ein Silberreiher
erwacht aus frühem Morgentraum
und flügelt über Ried und Weiher.
Die Sonne steigt. Das Wasser rinnt
durch meine ausgestreckten Hände.
Ach, eh der neue Tag beginnt,
ist alles, alles schon zu Ende.
Rauhreif über Wilchingen
Ernst Schlatter
Tiefenschärfe
ist durch die Tücken der Natur
gewährleistet.
Schwarz-Weissmalerei des Winters
hinterlässt
keine depressiven Gefühle.
Leichtigkeit
in den Stickeln der Reben -
Verspieltheit der Formen.
Selbst
Telefondrähte
spielen mit
ihm Koordinatennetz
der Empfindungen.
Ziegelform
hebt
die Schwere der Dächer.
Altföhren
Hans Ritzmann
Noch nah genug,
um mir die Jahreszeiten
mit seiner Wälder Farben
zu verkünden.
Und doch so weit entfernt,
um zu verblauen,
wenn ihn der Abend
aus dem Lichte nimmt:
ist dieser Hügel.
Oder sagt man Berg?
Der meine Fenster
bis zur Hälfte füllt,
und der den Raum
für Vogelflug und Wolken
mit seinem schweren Leib
beschneidet.
Ein Leib,
der jenen Broten gleich,
wie sie die Bäuerinnen backen.
Der auf dem flachen Tisch
des Tales
so hochgewölbt
nach Erde duftet.
De Bückiträger
Otto Uehlinger
En flotte Purscht, wo juuchze cha
- es bruucht halt schtrammi Lüüt! -
Mömmir als Bückiträger haa
I üüser Wümmetziit.
En Bückiträger mömmer haa,
Wo braav schafft und juuchze cha,
So an mömmer haa!
Wie lueged im die Mäitli noo,
Und jedi lacht en aa:
„Hai, bliib e Rüngli bii mer schtoh,
Chomm, mosch en Truube haa!“
Bückiträger, nimm di rächt,
Füüf am Bändel macht sich schlächt,
Nimm doch au di rächt!
Grad zwaamol wüürt da Bücki ghützt,
Zwaa Geltli mönd no druf.
Lueg no, wie üüsen Kärli schwitzt,
Es nimmt ihm fascht de Schnuuf.
Bückiträger, lauf nid z‘gschwind,
Lueg, suscht schtellts di uf de Grind,
Lauff doch nid so gschwind!
Am Oobed sind die Züber gfüllt,
Baald cha me Suuser haa.
‚S cha sii, das hie und daa an trüllt,
Im Herbscht chunnt mänge draa!
Bückiträger, juuchz i d Wält,
Etz giits Wii, und etz giits Gält:
Juuchz du froh i d Wält!
Herbstvedute
Fritz Senft
Lass Atem holen, tief, so tief!
Der Wald löst die Gewänder,
braun schreibt der Herbst den Scheidebrief
in die Phäakenländer.
Noch glänzt die Sonnenblume warm
durchs herbe Laub der Nüsse.
Weit oben weckt ein Vogelschwarm
im Weinberg dumpfe Schüsse.
Vom Licht geschürft, im Blut gewahrt,
verwachsen dir die Zeichen:
Vorübergang, Vorüberfahrt,
die Dauer ohnegleichen.
Über die Kürze des Lebens
Johann Conrad Peyer
Ach, was willst du dich erheben?
Unser Leben
fleucht dahin wie Rauch und Duft.
Beide müssen bald entstehen,
Bald vergehen,
Alles schwindet, wie die Luft.
Wahrlich: Leben, Lust und Schein,
Werden kurz und neblicht sein.
Heute prangen Feld und Auen.
Wer will trauen?
Morgen sind sie welk, wie Du.
Atem, Lust und Schönheit schwinden:
Gleich den Winden,
Ach sie täuschen, siehe zu!
Wähle Gott zu deiner Freud;
Diese bleibt in Ewigkeit…
Eile! Wie verraucht die Stunde,
Wie vom Munde
Des Geschwätzes schneller Hauch.
Oder kommen Strahl und Blicke
Je zurücke?
So verfliegt das Leben auch!
Unser Sein ist wie ein Traum.
Ach, wir sind, und fühlens kaum.
Von fern Musik
Karl Stamm
Von fern Musik, anschwellend, klar und rein.
Sie füllt mit ihren Stimmen alle Wälder,
schwebt über weiche Wiesen, goldne Felder
und trägt den Zauber auch in dich hinein.
Geniessend duldest du die süsse Pein.
Dass sie sich völlig nun mit dir vermähle,
durchdringt sie deine unberührte Seele
und wirkt in dir, wie schwerer, junger Wein.
Und unerlöst, wie hinter dunkeln Gittern,
wo eines neuen Lebens Hauch sie wittern,
die angespannten Glieder leise zittern.
Und plötzlich bricht der Wald sein banges Schweigen:
Im Takt der Töne sich die Zweige neigen.
Du atmest auf und du beginnst den Reigen.
Akelei oder Narrenkappe
Ruth Blum
Aquilegia vulgaris
Mit dunklem Blick und schlecht rasiertem Kinn,
den schüttern Haarschopf mangelhaft gebürstet,
durchstreift den weiten Wald der Musensohn,
der nach dem Bild der blauen Blume dürstet.
Schmalbrüstig keucht er über Stock und Stein,
sein kurzer Dichteratem geht asthmatisch.
Ein grosses Wildschwein nimmt entsetzt Reissaus;
Der Ungekämmte ist ihm nicht sympathisch.
Zur Burgruine klettert er empor.
Sieh da, was blüht auf dem vergrasten Söller?
„Die blaue Blume der Romantik ists!“
ruft er verzückt und steckt sie an das Göller.
Heimwandelnd trifft er einen Lehrer an,
der zieht den „Binz“ aus seiner alten Mappe.
„Mein Lieber“, lacht er, „was dein Knopfloch ziert,
heisst Aquilegia oder - Narrenkappe!“
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KLETTGAU
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Ein Ammonit
Hans Ritzmann
Der Bauernbuben
glücklicher Fund
zwischen den Stöcken
von Reben:
Einer Spirale
versteinertes Rund.
Noch vom Geheimnis
umgeben,
liegt es auf einer
kindlichen Hand.
Acht Augen
lassen in Paaren
den klar gerippten,
ovalen Rand
wie zur Befragung
umfahren.
Sie suchen
die Schnecke darin.
Doch vergebens.
(Wie könnte
ihr kleiner Verstand
schon erfassen,
dass diese Frühform
tierischen Lebens
ihr Gehäuse
vor Jahrmillionen
verlassen?)
Umwege
Erna Heller
Manchen Weg bin ich gegangen,
Voll Verlangen nach der Ferne,
Um dann schliesslich - gut und gerne -
Bei mir selber anzulangen.
Manchen Flug bin ich geflogen,
Manchen Strom habe ich durchschwommen;
Bin stets wieder angekommen
Dort, von wo ich ausgezogen.
Wollte mich dem All verbünden;
Suchte Gott, - und ging im Kreise,
Um dann, müde von der Reise,
Beides in mir selbst zu finden.
Herbstmorgen
Bertha Hallauer
Nebel webt ums Haus und Hang
Ein undurchsichtiges Gewand.
Er trinkt der Morgenglocken Klang
Und baut sich auf wie eine Wand.
Er spinnt uns immer dichter ein,
Schwer tropft es bald von jedem Baum.
Wir sind wie auf der Welt allein
Und hören uns‘re Schritte kaum.
Doch sieh, da reisst ein leuchtend Band
Die feuchten Schleier jäh entzwei
Und gibt das morgenstille Land,
Bestrahlt von warmem Lichte, frei.
Das Rebgelände Stück um Stück
Tritt langsam in die gold’ne Bahn,
Und schon liegt auch von unserem Blick
Ein Herbsttag prächtig aufgetan.
Bim Heidegrab uf Silstig
Samuel Pletscher
Uf selbem Bergchapf,
Silstig haasster,
Im Hag, am Weg zue,
Hätme gfunde
E Heidegrab.
Hoornoodle, gschlanki Armring,
Vom Grööspoh ganz überzoge,
Aber vo goldgäälem Erz
Und gstoche mit fiiner Verziering,
En Schädel mit prächtige Zehne,
Und e Gripp us zertere Chnoche,
Die hand bizüüget
E Fraue-Staagrab.
Und dei ben ich geschter gsässe
Im blüejige Staachlee am Grööhag,
Wo‘s ider Oobedsunn hät gschunne,
Doo milchwiiss vo de Windeglogge,
Und bluetroot doo von Hulftertrutschle.
In Gedanke benich wiit
Gwanderet zrugg i graui Ziite, -
Und de Rande, d‘Hammelhöhi,
S‘Chläggi bis zom Chüsseberg,
D‘Schneeberg dört am höchste-n-End,
Und dä Wäg und d‘Letzischanz,
Dunne s‘Schlaatemer Doppeltaal,
Eichberg, Buechberg, d‘Stühlinger Alp, -
Alls da ischt mer gar nid fremd.
Enneabe im Aachehag
Selb haamelig Blockhus.
Und dei, i dem Hus
Hät gwaltet e Töchter
Mit wolbikannte-n-Auge. -
Iren Grabschmuck han ich
phalte i mim Pult.
Ich bin gewandert einen langen Weg
Bertha Hallauer
Ich bin gewandert einen langen Weg,
Doch ach, nicht immer nur durch blum‘ge Auen,
Es ging auch über manchen schmalen Steg,
Durch gold’ne Tage, und durch Nacht und Grauen.
Nun sind zerrissen meine Wanderschuh‘, -
Mein Wanderbuch, es ist bald vollgeschrieben,
Dem Ziele geht es unvermerket zu,
Nur eine Seite ist noch leer geblieben.
Auf dieser ist dereinst von and‘rer Hand
Der allerletzte Eintrag noch zu lesen, -
Und Herbst und Frühling ziehen über’s Land,
Und es wird sein, als wär‘ ich nie gewesen!
Aus der Ballade vom Ackerland
Ursula Noser
Abgeerntet
ist heute schon das Feld
Zwei Falter gestern
taumelten
durch Reifeduft und
Erdgeruch in alle Tiefen
einer Sommernacht
berauscht vom Korn
und seiner Süsse
Die Bagger werden kommen
um unser Feld
für andre Saaten umzubrechen
Wenn dies vollbracht ist
werden wir
nur noch Erinnerungen ernten
Klettgau
Hans Ritzmann
Die flache Schale
des weiten Tales
erhebt den Saum
zur Anmut der Hügel.
Von diesen gehalten,
doch niemals bedroht,
wird ihr das Offensein
keine Verführung.
Selbstsicherheit
wächst darin,
und der Fleiss
vermag mit Früchten
die Ränder
zu füllen.
Bis sie im Herbst
rubinrot und golden
vom Saft aus der Kelter
überlaufen
und tropfen.
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RANDEN
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Dorf im Oobeddämmere
Otto Frauenfelder
Dört unne lyt‘s im Wisegländ,
im Oobeddämmere Huus a Huus.
Die hälle Fänschter schloofe wänd,
und eins löscht noch em andre-n-uus.
De Chirchturm? - Nei, dä schlooft no nid,
zellt alli Gibel ängstlich noh,
wünscht „bom“, guet Nacht, „bim“, Schloofeszyt
und freut sich, da no alli doo.
Im Hindergaarte, Baum a Baum
tänkt au de Herbscht, wo nümme wyt,
und underm Schopfdach scho im Traum
e-n-aalti, müedi Egge lyt.
E Chämiräuchli lysli strycht, grad wie-n-e Chatz, de Gible noh,
de Fäldre zue. Und ‚s Dämmre wycht
dr tunkle Nacht. Jetzt isch si doo.
Die Füchsin
Dora Baumann
In der Dämmerung kommt die Füchsin
und setzt sich still
unter den Ebereschenbaum.
In ihren Augen spiegelt sich: das Haus.
Ihre Nase zuckt
im Frühling -
scharfe Gerüche aus der Erde
steigen zu ihr auf.
Im Sommer schwirren Mücken
um ihren Kopf -
mit einer kurzen Bewegung der Ohren
scheucht sie sie fort.
Herbstlaub weht ihr
der Wind ins Fell
sie achtet nicht darauf
sitzt unbeweglich -
Schmal sind ihre Flanken
im Winter
Kälte zieht zitternde Schauder
über ihre Haut -
in ihren Augen spiegelt sich:
das Haus.
aus „Das Hohe Lied“
Karl Stamm
Der Mittag schreitet über seine Breiten,
um ernst und stille seines Amts zu walten.
Die Sprache raubt er heimlich den Gestalten
und bannt der Wälder angespannte Saiten.
Der Vögel Lieder, die vorübergleiten,
der Quellen Sang will er für sich behalten.
Er wickelt Sie in seines Kleides Falten,
um lautlos in die Berge fortzuschreiten.
Nur ab und zu in heft’gen Windesstössen
sich seines Mantels lose Nähte lösen:
Dann klingt’s herab wie eine leise Klage.
Vernehmbar werden ferne, sel‘ge Stimmen,
die schön wie Inseln durch die Stille schwimmen
und dann verwehn, wie eine alte Sage.
Verieret
Otto Frauenfelder
Ich känn de Rande wie myn Sack.
Wa-n-ich mach, macht mir keine noh.
Verbind mir d‘Auge, trüll mich um,
eins, zwei, scho bin ich wider doo!
Ich laufe dur de Randewald.
Es näblet, ’s isch no früeh am Tag.
Ich dänk: „Lauf zue, de Wäg isch rächt,
so lang de Fuess dich träge mag.“
Zum Gugger, nei, dä Baum, dä Wäg,
die ha-n-ich hüt nid s‘ersch mol gsäh.
Nä, näi, de Näbel tüüscht mich nid.
Ich mues e-n-andri Richting näh!
De Näbel hät mich i dr Gwalt,
es trybt mich däwäg, trybt mich so,
und äntlich, d‘Sunne stoht scho hooch,
cha-n-ich mi Richting überchoo.
De Näbel wycht, de Wäg würt klaar,
er goht dr Randehütte zue.
Ich känn - halt‘s Muul, siehsch du dänn nid,
wie dört e Föhrli lache mue?
Komm Sturm
Dora Baumann
Komm Sturm
stürze mich hinunter -
die Zeichen stehen deutlich
die Zeit ist um.
Lass mich nun Wurzel sein
und Welle -
Vogel will ich sein
und Erz
Punkt will ich werden
und Spirale
lass mich Rose sein
und Stein.
Feg mich federleicht in die Wolken
senk mich bleischwer in die Erde
zerbricht mich in funkelnde Splitter
streu mich tausendfach in den Wind.
aus „Das Hohe Lied“
Karl Stamm
Ein Wandrer schreitet durch die Einsamkeiten,
in vollen Wäldern bleibt er sinnend stehen.
Er lauscht des Windes abgeriss’nem Wehen
und kann wie andre nicht vorüberschreiten
an diesen träumereichen Wirklichkeiten,
darin verborgen viele Quellen gehen.
Ihn zwingt sein Geist, hinauf-, hinabzusehen
und hinzuschweifen in die blauen Weiten
und, während schon die ersten Sterne winken,
zu spähen auf der Abende Versinken,
als wär er ihrem Dunkel nah verwandt
und in den ausgespannten Schattenkühlen
die Wiederkehr der Dinge mitzufühlen -
Einsamer Freund, ich habe dich erkannt.
Am Oobed
Otto Frauenfelder
Bisch du scho am stille-n-Oobed
über d‘Randehöhi gloffe,
wänn de Wald hät welle schlooffe
underm Himmel wyt und offe?
Nei? - So gang, ich cha dr‘s roote.
Hörsch de Wind in Föhre ruusche,
hörsch au d‘Glogge-n-i de Dörfre
ringsum helli Zwysprooch tuusche.
D‘Hügel siehsch du blauer wäärde,
siehsch ein Stärn am andere zünde,
siehsch die hälle Randewise
noh und noh im Wald verschwinde.
Hörsch en Fuchs vo wytem bälle,
hörsch i‘s Gstrüpp e Jungreh haschte,
und dört, zwüsched junge Föhre,
siehsch de Moo am Himmel raschte.
Nei, du muesch es e mol wooge,
z‘Obed über d‘Höhi z‘lauffe,
chasch im Taal de Wald mit alle
Schätze vo dr Wält nid chauffe.
Lo dich hebe, lo dich fange,
lo dich ganz im Wald versinke.
Aber öppis mue dr säge,
tuesch für immer Heimweh trinke!
Randelied
Otto Uehlinger
Im Früeling do goht s uf de Rande!
De Gugger rüeft scho: S isch hööchschti Ziit!
Es grüent und es blüeit i de Lande,
un d Wält isch so häll und so wiit.
Wäär wett i der Schtube hocke?
Du bisch doch no z jung derzue!
de Rucksack an Puggel, uf d‘Socke,
mir haueds in Rande-n-ue.
De Summer ruckt au scho i d Nööchi;
‘s wüürt häiss i der Schtadt, me schtöhnt und schwitzt.
Wie schöö isch es dört i der Hööchi,
wänn‘s ringsume chrachet und blitzt.
Es herbschteled scho uf de Fälder,
de Näbel chrüücht grau und schwäär is Taal.
Wie lüüchted etz d‘Randewäälder,
im goldige Herbschtsunneschtrahl!
Und laat dänn de Winter liisli
e schneewiises Tuech ufs Chlooschterfäld,
ufs Zälgli und s Bäärewisli,
wie schtill wüürt dänn d‘Randewält.
Wär wett i der Schtube hocke?
Du bisch doch no z jung derzue:
de Rucksack an Puggel, uf d‘Socke,
mir haueds in Rande-n-ue.
Die Randenburg
Anton Pletscher
Die Randenburg in Trümmern
vom Zahn der Zeit gelegt,
entblösst von Glanz und Schimmer,
mir tief das Herz bewegt.
Vieltrutzig auf dem Randen
vom Wort der Macht gestellt,
war sie hoch ob den Landen
den Felsen beigestellt.
Ach, Tor und Turm und Hallen
allwo es eisern klang,
ach, alles ist zerfallen,
verstummt der Minnesang.
Doch lebt‘ in Sag‘ und Liede
noch fort des Schlosses Maid.
Im Wohnturm niemals müde:
Burgfräulein Adelheid.
Es bleiben ihr verbunden
Geschlechter alt und neu.
Noch lindern Weh und Wunden
die Gaben ihrer Treu.
Die Randenburg in Trümmern,
gelegt vom Zahn der Zeit.
Geweiht ist sie für immer
von edler Weiblichkeit.
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REIAT
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Beim Einnachten
Erna Heller
Der frühen Felder satte Farben fallen
Zurück ins Dunkel, wo sie nichts mehr trennt.
Die Wälder lasten schwer, gleich schwarzen Truhen,
Auf deren Grund vergessene Wunder ruhen,
Und über ihnen, wie durch Pergament,
Ein heller Schein; der letzte noch von allen.
Es sammelt sich die Nacht wie eine Lache,
In der gelassen Dach und Dorf versinkt.
Vom nahen Stall ein aufgestautes Brüllen
Und schwere Eimer, die sich donnernd füllen -
Dann gurgelt nur der Brunnen, und es klingt
Wie ein Gebet in einer alten Sprache.
De Gränzschtoo
Jakob Brütsch
Doo zmitten ie i Härrgotts Wält
hät me dich eifach häregschtellt!
Ich schääch di no so halbfrämd aa,
möcht lieber gar nünt mit der haa!
Du ghöörscht zu mir und doch nid ganz,
Chopf oonersiits, andersiits Schwanz!
Du häscht zwää gültigi Hommetschii,
liidscht hochgradig a Schizophrenie!
Bisch schrötig ghaue, schöö im Gviert,
zwoo Hohheitszeiche sind iigraviert!
Doch wills mer schiine meh zum Schpott,
du bischt en heitere Patriot!
Drum fröög nie, wan e Gränze sei:
En Abernünt doo zwüsched zwei!
Doch simmir nid uff däre Wält
so zwüsched Tür und Angle gschtellt? -
S Echo
Jakob Brütsch
Ich känn am Änd vo däre Wält,
vertrommt a Buechewääldli noo
e schüüch verblisen Ackerfäld,
doo verwiil i gäärn eloo.
Ich jool und juuchze nid in Waald,
und doch, als chiemt en Echo zrugg,
en Echo mit‘re Zaubergwaalt,
die loot nid loos und loot nid lugg.
Isch üüser Härz au sonen Waald?
Rüeff no nie z luut drinie!
Dänn höörscht au du di Echo baald,
bloos liisli - oder nie! -
Milder Abend
Erna Heller
Verwirrend zart der Abend, als entstiege
Er einem Bad aus duftenden Essenzen;
Perlmutterfarbenes Flimmern ohne Grenzen
Und, wo der Wind sich in den Bäumen regt,
Ein sanftes Schaukeln, wie von einer Wiege,
In der ein müdes Kind sich schlafen legt.
Im Osten ist der erste Stern erwacht;
Die Erde atmet aus, der Acker raucht
Und aus den violetten Gründen taucht
Mit unhörbarem Flügelschlag die Nacht.
Einklang
Fritz Senft
Freudig brichst du auf; die Woge
führt dich fort, smaragdner Baum
hebt dich in die blaue Höhe,
gibt dich weiter an die Winde,
an die Wölbung stiller Berge.
Vögel tragen dich von dannen,
Wolken werden deine Flösser,
kühl und bärtig, voll Orakel.
Doch der Abend bringt dich heimlich
unter feuchten Regenbogen
in die Bücherklause heim.
Weglese
Elisabeth Brägger
Dein Baum ist rund
und meine Stunde voll.
Liebster,
lass die Rosen schlafen,
blas die Königskerzen aus.
Der hellste Stern
wird ohne unser Tun verglühn.
Der letzte Hügel sanft verflachen.
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SCHAFFHAUSEN - NEUHAUSEN
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Am Rheinfall
Eduard Mörike
Halte dein Herz, o Wanderer, fest in gewaltigen Händen!
Mir entstürzte vor Lust zitternd dass meinige fast.
Rastlos donnernde Massen auf donnernde Massen geworfen,
Ohr und Auge, wohin retten sie sich im Tumult?
Wahrlich, den eigenen Wutschrei hörete nicht der Gigant hier,
Läg’ er, vom Himmel gestürzt, unten am Felsen gekrümmt!
Rosse der Götter, im Schwung, eins über dem Rücken des andern,
Stürmen herunter und streu’n silberne Mähnen umher;
Herrliche Leiber, unzählbare, folgen sich, nimmer dieselben,
Ewig dieselbigen - wer wartet das Ende wohl aus?
Angst umzieht dir den Busen mit eins, und, wie du es denkest,
Über das Haupt stürzt dir krachend das Himmelsgewölb‘!
Beim Rheinfall
Johann Conrad Peyer
Ihr kenn Schaffhausen wohl,
Allwo des Rheins Gewalt
Den allerersten Sturm
Mit spitzen Klippen waget,
Stark schäumt, sich brausend türmt,
Und brüllend rückwärts fällt,
Bis der erhitzte Strom
Zuletzt den Pass erjaget,
Wodurch er rauschend dringt,
Sich eilend niederdrückt,
Und seine Wirbel-Flut
Mit Murmeln weiter schickt.
Winterufer I
Roland Stiefel
Jetzt scheint alles
verständlich
wir brauchen
keinen Vergleich
für die lockere Pappelreihe
gegenüber,
dahinter
nicht mehr versteckt
zwei Häuser
auch den Fluss,
durchsichtig
steht der am Ufer,
können wir so belassen
der Flug der drei Enten
vor den vertäuten Weidlingen
hintereinander
eine schlanke
doch unbekannte
Gleichung -
mit einem einzigen Schuss
leichthin
lässt sie sich dritteln
so gerät
die Welt
vollends in Ordnung
Winterufer II
Roland Stiefel
Flussaufwärts
dem Uferweg
ausschreitend folgen:
so gleitet die Kälte ab.
Kein Wind
bewegt quer
eine Welle.
Wenn wir nicht sprechen
können wir jene
draussen im Boot
plötzlich wörtlich
verstehen
flussab.
Blume
Erna Heller
Von deiner Anmut ungerührt,
Blickst du mit stillem Staunen in die Welt,
Schon ahnend, wie - vom Abendwind entführt -
Ein erstes Blatt aus deiner Krone fällt.
Der Sommer - grün, verschwenderisch und satt -
Vergnügt sich in gedankenlosen Spiel;
Dein kleines Sein bedeutet ihm nicht viel,
Denn tausend andre blühn an deiner Statt.
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RÜDLINGEN - BUCHBERG
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Das steinerne Kreuz
Elise Meyer
Aus dem Tal zu Berge wandert
Stumm und ernst ein Brüderpaar;
Unten tief das Glöcklein schallet,
Und der Rhein fliesst rasch und klar.
Trägt ein Kreuz von Stein der Blonde,
Grau und schmucklos, unscheinbar;
Eine Schaufel, Grabgeräte
Der im dunkeln Lockenhaar.
Angekommen auf der Stelle,
Wo der eine Pfad, geteilt
In der Ferne unabsehbar
Zwischen Fels und Fluss sich keilt,
Und zurück im weiten Bogen
Nach dem kleinen Dörfchen eilt,
Graben sie mit ems‘gen Händen
Eine Grube unverweilt.
In die Grube tief und feste
Rammen sie das Kreuze ein,
Und dann drücken Sie die Hände
Warm sich überm kalten Stein:
“Lass ein Denkmal treuer Liebe,
Bruder, dieses Kreuz uns sein,
Wenn du in der Heimat weilest,
Wenn ich draussen irr‘ allein…“
Gruess vu Buchlinge
Jakob Fehr
Zwüsched Tütschland, Züripiet und Rhy,
E chly verträumt und zimli chly
Und vilne Schwyzer nid bekannt,
Lyt no e Stuck Schaffuuserland.
Es isch so schöö, wie nid grad neime.
Elfhundert Lüüt sind dert diheime.
I zwei Dörfer läbed‘s glückli.
Zwüsched inne stoht ydrückli
De Hurbigbärg. Vu wytem gsieht men.
Wäg siner Uussicht bsunders liebt men.
Rüedlingen-unne, nooch bim Rhy,
Am Fuess vum Räbhang zieht sich‘s hii.
Si langi Rigelhüüser-Reihe
Rüeft: „Willkomme! S‘tuet üs freue!
Lueg d‘Bluemen-aa, durs Dorf durii
Und cheer au ime Wirtshuus ii.
Loss d‘Fisch im Wysswii ume schwümme!
E sonen Gnuss vergisst me nümme…“
Bim Chirchli obe, irgend neime,
Umchränzt vu grosse Oepfelbäume,
Lyt Buechbärg a der warme Sunne.
Dert findt me mänge schöne Brunne,
Wo Wasser spändet, silberhäll,
En jeden-us sir eigne Quäll.
Doch, wännt din Turscht wettsch anderscht stille,
Dänn chömmir scho din Wuntsch erfülle,
An Halde wachst en Freudebringer.
„Buechbärger“ heisst er und „Rüedlinger“!
En würzig wyss- und roote Wii.
En jede wott de besser sy.
I welem chönnt me‘s Chränzli winde?
Da muescht scho sälber ussefinde…
Drum, wänn er ame Wuchenänd
Nid wüssed won-er häre wänd,
Gönd eifach Richtig Hurbiggipfel
In südliche Schaffuuserzipfel!
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STEINER KANTONSTEIL
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Der Harlekin
Fritz Gafner
Ich bin der rote Harlekin.
Bin um und um von Seide.
Und niemand weiss, dass ich es bin
Im rot karierten Kleide.
Ich bin der rote Harlekin.
Pack mich auf beiden Seiten
Und mach mich bereit und mach mich dünn
Und tanze vor den Leuten.
Ich tanz auf Bank und Brunnenrand.
Ich tanz und bin verschwunden.
Mein Kleid ist nur an Hals und Hand
Und Knöchel zugebunden.
Man kennt mich nicht. Ich bin maskiert.
Hüpf über Hof und Brücken.
Die ganze Stadt ist rot kariert
Und tanzt mir auf dem Rücken.
Ich bin der rote Harlekin.
Bin um und um von Seide.
Und niemand weiss, dass ich es bin.
Ich stecke immer innendrin
Im rot karierten Kleide.
Vor Ooschteren ob Schtäi am Rhii
Reinhard Genner
S Immergrüe mischt blaui Tüpfli
unders Graas am Waaldrandgschtüüd.
D Escht voll Auge: None Schüpfli,
dän vertuet sich s Laub,
schnäiets Blüeteschtaub.
Los: Fiins Gloggeblüemliglüüt!
S lueged schüüch Viööli füre,
gääli Hummle sueched Kelch.
D Wärmi mönd am ehndschte gschpüre
d Vögel: Mached Sätz,
zwitschered we lätz,
achted s Grautuech nid vom Gwölch.
Zäpflifäde vo de Lärche
hanged locker, noodelloos;
Före, Bueche chön verschtärche
d Schutzfront geg de Schturm.
Hooechlingeturm
grüesst dur Zwiigschtääb schtolz und grooss.
Blääit e Böö de Schwiizerfahne
überm runde Voorschprungsgmüür.
Schtaaner Gschicht: länk äine d Bahne
wiis, säis mild, säis ruuch;
läitet au im Schtruuch
Schwall und Schwund, s Johr druf we hüür.
Am Wolkeschtoo
Jakob Brütsch
Am Wolkeschtoo
tönd d Wolken aaschtoh.
Wänd si drüber dure choo,
mönd si öppis schpringe loo.
Hönd si dänn gnueg rängle ggloo,
isch ene iri Schwääri gnoo.
Guetwätterwölkli
liicht und läär
nämeds friili nid so schwäär,
hoch ziehned si über de Wolkeschtoo -
und lönd en schtoh.
Zenith
Ursula Noser
Die Hitze des Sommers
ist gebrochen
Man möchte nun
die Stunden sammeln, die
wie Schmetterlinge
von Sonne zitternd
den Tag besuchen
Lichtstaub und
Wärmetanz
tiefatmend wahrgenommen
und eingesenkt
bis dort zum Grund
dort bei den Quellen
aller Freude
herrentisch
Erwin Jaeckle
hier wird für herren getischt
unter eichen
wechselt der fuchs verwischt
schnur und zeichen
sie kommen aus launen
und gassen zum ostwindhaus
die knospen ziehn die braunen
zipfelmützen aus
der eichhornschalk die leeren
nüsse unter dem schritt
grüssen die schweren
riesen aus phonolith
sie laden sich zu gaste
der tisch ist nicht gedeckt
wer feiern will der faste
er wird zu ostern erweckt
Jetzt
Fritz Gafner
Warten worauf
Es ist Sommer
Und nach kommt nichts
Zu Ende
Die langen Geschichten
Worin wir vorkommen
Es ist Sommer
Es ist genug gewartet
Die Welt ist säglich schön
Taghochblau die Sommerlindenallee
Und nach kommt nichts
Buecher Lied
Jakob Brütsch
Mi Buech, mi Hoomet, Fäld, Stube und Staal.
Es liit im fründtliche Bibertaal
Wa tuet‘s, e bitzeli böös absiits
Als Ohreläppli vo üsere Schwiiz.
E Freud, da ebe und fruchtbar Land,
Mit Liebi sinds bschtellt di hinderschte Gwand!
Mer sind numme vili, d‘Burdi würt grooss,
De Säge friili, doch fellt nünt in Schoss.
Bä allem Sorge, allem Puure
Wämmer glich nid verholze, versuure.
Me singt und spilt, s‘giit herrlichi Ritt,
und alles und jedes, ganz Buech macht mit.
Uf die Wiis isch üüs scho mänggs glunge,
Und ko Komedi mit üsne Junge.
Me törf d‘Wält nid gar so fiischter näh,
Mir wänd ere herzhaft e Biispiil gää!