Aktuelles / Notizen

09.01.2016

Votum RR Christian Amsler zum Lehrplan 21


Kantonsratssitzung 9.11.2015

Regierungsrat Christian Amsler: Es ist in der Tat lange her. Erwin Sutter hat seine beiden Vorstösse zum Lehrplan 21, Motion und Postulat, die einen direkten Zusammenhang haben, bereits am 16. März 2015 eingereicht. Die Schaffhauser Regierung hat dann in schriftlicher Form mit Datum vom 28. April 2015 umfassend geantwortet.

Der  Lehrplan  21  legt  die  Ziele  für  den  Unterricht  aller  Stufen  der Volksschule  fest  und  ist   ein   Planungsinstrument   für   Lehrpersonen, Schulen und Bildungsbehörden. Er orientiert Eltern, Schülerinnen und Schüler,   die Abnehmer    der  Sekundarstufe II,  die Pädagogischen Hochschulen und  auch  die     Lehrmittelschaffenden über die in  der Volksschule zu erreichenden Kompetenzen. Es ist wichtig zu wissen, dass es  sich  beim  Lehrplan  21 nicht   um  ein generell-abstraktes Normengefüge im    ursprünglichen   Sinn handelt,  sondern  um eine eigentliche Handlungsanweisung an die Lehrpersonen, die per se einen  hohen  Detaillierungsgrad  aufweist.  Sie erlassen hier Gesetze und Dekrete und das Schaffhauser Recht weist die Zuständigkeit für den Erlass von Lehrplänen dem Erziehungsrat zu.

Wissen Sie, was die Krux des Lehrplans 21 ist? Der Lehrplan 21 hat viel mehr Kritiker als Leser. Alle reden mit, doch fast niemand hat auch wirklich in diesen Lehrplan hineingeschaut. So kommt es mir jedenfalls dann und wann vor. Ich nehme Sie alle, sechzig Kantonsrätinnen und Kantonsräte, selbstverständlich von dieser Aussage aus.

Wie Sie alle wissen, steht die Schule vor grossen Herausforderungen und auch mitten in wesentlichen gesellschaftlichen Fragestellung. Da wird es nicht besser, wenn alle reinreden und ihre persönliche Lebensphilosophie einbringen wollen, unerbittlich und à tout prix. Der Lehrplan 21 muss nun für alles herhalten, wobei ich es gut finde, dass über die Schule diskutiert wird.

Jetzt aber zum Erlass resp. zur Genehmigung von Lehrplänen in den Deutschsprachigen Kantonen: Ein Vergleich der kantonalen Rechtsgrundlagen   zeigt,   dass   Lehrpläne,   man   nennt   sie   auch Bildungspläne oder Bildungsprogramme, in allen Kantonen ausnahmslos durch die Exekutive oder durch einen Erziehungsrat, einen Bildungsrat oder eine Landesschulkommission erlassen beziehungsweise genehmigt werden. So sagt zum Beispiel der schweizweit anerkannte Schulrechtler Herbert Plotke Folgendes: «Die Schulgesetze enthalten zu einem wesentlichen Teil Organisationsnormen, während die effektive Tätigkeit der Schule vor allem in den Bildungsplänen, Stundentafeln, Prüfungs- und Promotionsordnungen, Disziplinarreglementen und so weiter näher bestimmt wird. Diese werden ausnahmslos von den Vollzugsbehörden erlassen.» In den einundzwanzig Deutschschweizer Kantonen sieht es aktuell wie folgt aus: In vierzehn Kantonen entscheidet die Exekutive, also der Regierungsrat oder der Staatsrat, und in sieben Kantonen – so auch in Schaffhausen – der Erziehungsrat als kantonale Vollzugsbehörde generell über die Einführung von Lehrplänen. Mit dem gemeinsamen Lehrplan werden die Ziele der Volksschule in der Deutschschweiz harmonisiert, womit  die bildungspolitischen      Vorgaben  der Bundesverfassung umgesetzt werden. Das steht in Art. 62 Abs. 4. Erwin Sutter hat eine relativ breite Auslegung der Bundesverfassung vorgenommen und diesbezüglich wohl Differenzen zu unserer Haltung.

Dieser gemeinsame Lehrplan erleichtert die Mobilität von Familien mit schulpflichtigen Kindern sowie auch von Lehrpersonen. Ein gemeinsamer Lehrplan  ist  die  Grundlage  für  die  Koordination  der  Lehrmittel  und erleichtert das gemeinsame Entwickeln von Lehrmitteln für die deutschsprachige Schweiz, was auch aus ökonomischen Gründen durchaus Sinn ergibt. Ein gemeinsamer Lehrplan ist ein weiterer Schritt zur   inhaltlichen   Harmonisierung   der   Aus-   und   Weiterbildung   der Lehrerschaft und dieser gemeinsame Lehrplan dient als Grundlage für die Entwicklung von Instrumenten zur förderdiagnostischen Leistungsmessung, die in der ganzen Deutschschweiz eingesetzt werden können. Die nachobligatorische Ausbildung, die Berufsausbildung, die Fachmittelschulen und auch die gymnasialen Maturitätsschulen sind auf Bundesebene     geregelt.     Die     Jugendlichen     müssen     also     im nachobligatorischen Bereich in der ganzen Schweiz denselben Anforderungen genügen. Aus diesem Grund erachten wir es als sinnvoll, die  Ziele  und  Inhalte  der  Volksschule  einheitlicher  zu  gestalten.  Ein gemeinsamer   Lehrplan   ermöglicht,   dass   die   in  vielen  Kantonen anstehenden Lehrplanarbeiten gemeinsam, breit abgestützt und auch kostengünstig angegangen werden können. Die Hoheit der Kantone über Kindergarten und obligatorische Schule bleibt bestehen. Alle Deutschschweizer Kantone haben entschieden, gemeinsam den Lehrplan 21 auszuarbeiten. Nach dessen Fertigstellung im Jahr 2014 entschieden und entscheiden die Kantone in ihren je eigenen Verfahren über dessen Einführung. Wir in Schaffhausen planen die Einführung aufs Schuljahr 2018/2019. Wir machen das sorgfältig und solide und gehören nicht zu den Schnellsten. Die Basler haben aufgrund der Umstellung der Schulsysteme als einzige bereits per Sommer 2015/2016 mit der Einführung des Lehrplans 21 begonnen. Zwölf Kantone beginnen per 2017/2018, vier Kantone darunter Schaffhausen per 2018/2019, zwei Kantone per 2019/2020 und der Kanton Aargau hat als Beginn ab 2020/2021 kommuniziert.

Mit der Kompetenzorientierung im Lehrplan 21 – Sie können das auch in der D-EDK Informationsbroschüre pragmatisch nachlesen – wird signalisiert, dass  der  Lehrplan  nicht  bereits  erfüllt  ist,  wenn  der  im  Lehrplan aufgelistete Stoff im Unterricht behandelt wurde, sondern erst dann, wenn die Kinder und Jugendlichen über das nötige Wissen verfügen und dieses auch in einer konkreten Situation anwenden können. Der Lehrplan 21 formuliert die Ziele der Volksschule klarer als die bisherigen Lehrpläne. Insbesondere die im Lehrplan 21 formulierten Grundansprüche, die alle Schülerinnen  und  Schüler  erreichen  sollen,  tragen  dazu  bei,  den Übergang von der Volksschule in die Berufsbildung zu klären und erfolgreich zu gestalten.

In der Berufsbildung hat man in den vergangenen Jahren die Bildungsverordnungen und Bildungspläne erfolgreich auf den Erwerb von Kompetenzen  ausgerichtet.  Die  Erfahrungen  sind  positiv.  Es  ist  nur folgerichtig, dieses Konzept auch für die Volksschule anzuwenden.

Einundzwanzig Kantone haben sich zusammengerauft, haben sich um einen  runden Tisch gesetzt     und  haben  gemeinsam  einen zukunftsgerichteten Lehrplan  erstellt. Das ist eine  ausserordentliche Leistung in einem föderalen Land wie der Schweiz. Ein guter Lehrplan macht natürlich noch keine gute Schule aus. Vielmehr brauchen Schüler, Lehrer und Eltern auch das Vertrauen und das Wohlwollen der Behörden. Der Lehrplan 21 ist ein Fachdokument und in Fachsprache abgefasst. Überhaupt nicht verstehen kann ich die Kritik, dass man den Lehrplan 21 hinter verschlossenen Türen erstellt habe. Der Motionär hat das  folgendermassen  formuliert:  «am  Volk  vorbei».  Ich  kenne  kein anderes Projekt von dieser Dimension in der Deutschschweiz, das so zahlreiche Anhörungs- und Konsultationsrunden absolviert hat und so breit erarbeitet wurde. Alle Bildungsdirektorinnen und -direktoren, auch die der SVP, stehen voll hinter dem Lehrplan 21 und er wird nun überall eingeführt. Darum bittet Sie die Regierung, die Motion nicht erheblich zu erklären und das Postulat nicht zu überweisen.