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14.01.2019

Blick Artikel 14.1.2019


zum Lehrplan 21 und Literatur

Lukas Bärfuss (47), Schweizer Schriftsteller und wichtigster Intellektueller seiner Generation, geht hart ins Gericht mit dem Lehrplan 21. Die jüngste Schulreform halte nirgends mehr verbindlich fest, was ein Lehrer mit seinen Schülern lesen müsse. Es müssten nicht einmal mehr Bücher sein, schreibt er im «SonntagsBlick». Dabei brauche die Gesellschaft für ihren Zusammenhalt einen minimalen Fundus für einen gemeinsamen Teppich an Erfahrungen und Erlebnissen. 

Damit provoziert der Berner viele Lehrpersonen sowie die Bildungsdirektoren der 21 Deutschschweizer Kantone (deshalb heisst es Lehrplan 21), die bis nächstes Jahr die Schulreform umsetzen. Ihr «Vater», der Schaffhauser Regierungsrat und ehemalige Schulrektor Christian Amsler (55), kontert denn auch scharf:  «Bärfuss ist viel zu stark auf den Lehrplan konzentriert. Er nimmt die Menschen dahinter zu wenig in den Fokus. Die Schlüsselpersonen guter Bildung sind die Lehrer!» Die Lehrer entschieden heute, welche Werke heute gelesen werden und keine staatlichen Listen. Sie bekämen durch ihre eigene Ausbildung an den Gymnasien, an den Pädagogischen Hochschulen und Universitäten nach wie vor einen sehr guten Grundstock mit. «Ich habe grösstes Vertrauen in die  Lehrpersonen», so der FDP-Politiker. Er ist überzeugt, dass der gemeinsame Wissen- und Erfahrungsschatz nicht verloren gehen. «Aber man darf sich ruhig Gedanken über dessen grosse Bedeutung machen. Daher finde ich die Debatte, die Lukas Bärfuss jetzt angeregt hat, wichtig.» Allerdings müsse die Diskussion, so Amsler weiter, breit und unabhängig von eigenen Interessen geführt werden. «Ich fände es sehr gefährlich, einen Katalog mit literarischen Werken zu erstellen, die quasi das Pièce de résistance von  diesem Land wären.» Wie in der Staatspolitischen Bildung, in der Musik oder in anderen Fächern sei die Vielfalt an Wissen und Werken heute enorm gross und die Diskussion breit, was Allgemeingut sein soll. «Bärfuss hat als Schriftsteller die Literatur im Blick. Aber wir können auch lange darüber streiten, ob wir Lieder aus verschiedenen Landesteilen und Ländern lernen und welche.» 

Amsler ist als früherer Präsident der Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz von 2013 bis 2016 und Steuerungsausschusses des Lehrplans 21 überzeugt: Seine Reform hat den besseren Ansatz! «Wir legen das Gewicht auf die Kompetenzen.» Der Dreiklang «Wissen, Können und Wollen» bringe die Schüler am Weitesten.

«Früher wurde in den Lehrplänen einfach Pflichtstoff aufgelistet. Später kamen die Lernziele dazu.» Heute halte der Lehrplan zum  Deutsch fest, dass sich die Schüler mit Literatur auseinandersetzen und sich so Wissen aneignen, das sie nicht nur einfach wiedergeben, sondern auch anwenden und weiterverwenden können. 

Absolut einig ist sich Amsler mit Bärfuss, dass die Diskussion über den Lehrplan 21 zu kurz kam und vor allem in den Regionen und unter Ideologen über die Bühne ging. «Für diese Kritik würde ich ihm gerne auf die Schulter klopfen!» 

Und so fordert der FDP-Bundesratskandidat vom letzten Jahr mit Blick auf die nationalen Wahlen im Herbst: «Es braucht unbedingt mehr Bildungspolitiker in Bern.» 

Unter der Bundeshauskuppel seien falsche Hemmungen im Spiel, wenn die Räte immer darauf hinwiesen, Bildung sei Sache der Kantone. «Die Hoheit der Kantone ist wichtig. Aber ich wünsche mir, dass man – in engem Schulterschuss mit den Kantonen – vom Bund her vermehrt schaut, was für unser Land in der Bildung für die Zukunft unserer Jugend eigentlich wichtig ist.» 

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