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Roger de Weck bei der Seniorenuniversität SH

Roger de Weck signiert sein neustes Buch «Das Prinzip Trotzdem. Warum wir den Journalismus vor den Medien retten müssen» nach seinem Referat bei der Seniorenuniversität Schaffhausen.
Roger de Weck sprach bei der Seniorenuniversität Schaffhausen zum Thema «Demokratie und Journalismus – ein Blick auf die Medienlandschaft».
Ohne Demokratie gibt es keinen kritischen, unbequemen Journalismus. Ohne Journalismus keine liberale Demokratie. Aber diese Zwillinge sind in Gefahr. Manche Demokratie wird illiberal. Und sowohl die Medienwirtschaftskrise als auch die Digitalisierung befördern einen Klick-Journalismus, der alle Massstäbe missachtet – auch in der Schweiz. Differenzierung und Nuancierung weichen dem Plakativen. Was tun? Roger de Weck hat sich auf die Suche nach einem Demokratie-freundlicheren Journalismus gemacht.
Prof. Dr. Roger de Weck war von Anfang 2011 bis Ende September 2017 Generaldirektor der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft SSG.
Gerne möchte ich ein paar Gedanken aus dem brillanten Referat teilen, das er völlig frei vorgetragen hat, mit Fragen zum Nachdenken, gezielt gesetzten Ausrufezeichen und wohltuenden Pausen zum Nachdenken:
Was ist der Unterschied zwischen Optimist und Pessimist? Der Optimist denkt, dass alles gut kommt und der Pessimist hofft, dass der Optimist nicht Recht hat!
Das Primat der Politik hat sich durchgesetzt und trotzdem verhandeln Wirtschaftsführer direkt mit Donald Trump im Oval Office zu den Zollkonditionen für die Schweiz, hebeln so die offizielle schweizerische Wirtschaftspolitik aus und bringen dem Präsidenten eine goldene Rolex mit.
Wir leben in einer „on demand“ Zeit. Eine breit zusammengesetzte Zeitung für ein breites Publikum setzt sich aus vielen Publicas zusammen. Sport, Kultur, Wirtschaft, Politnews machen die Vielfalt aus. Leider stellen wir eine Entwicklung von der Aufmerksamkeitsökonomie hin zur Aufregungsökonomie fest. Das Showprinzip hält Einzug mit immer mehr Personalisierung. Wir stellen eine schreckliche Vereinfachung fest, anstatt die für eine Demokratie so wichtige Darstellung der Komplexität. Heute halten die Social Medias Einzug und die Zeitungen passen sich leider daran an. Influencer erklären uns täglich, wie das Leben zu optimieren ist. Sogar, wie das Badezimmer zu lüften ist, nachdem ich doch nun seit 72 Jahren das Badezimmer selbstständig gelüftet habe!
Die Pressefreiheit ist da, weil sie der Demokratie zu dienen hat. In Roger de Wecks Heimatstadt Fribourg heisst die französischsprachige Zeitung La Liberté - das ist der schönste Zeitungstitel der Welt!
Guter Journalismus heisst Informationen suchen, prüfen, überprüfen, analysieren, situieren und in Zusammenhang setzen, darstellen, erklären, evtl. kommentieren, aktualisieren und korrigieren. Medien ist immer ein guter Mix von informieren, bilden und unterhalten.
Und auf die Frage, was er denn von KI und Journalismus halte, antwortet Roger de Weck ganz knapp und simpel: „Journalismus sucht das Unbekannte und KI nutzt das Bekannte!“

Und hier noch der Text von SN Redaktor Dario Muffler zum Referat von Roger de Weck bei der Seniorenuniversität.
Roger de Weck über Medien und Demokratie
Wieso der Journalismus gerettet werden muss, obwohl er viel falsch macht
Dario Muffler / Quelle: Schaffhauser Nachrichten Ausgabe 11. November 2025
Roger de Weck spart nicht mit Kritik an der Medienbranche. Er spricht von Anbiederung an Social Media und der Vernachlässigung der eigentlichen Aufgabe. Wenn es nämlich keine freie Presse mehr gebe, dann sei die liberale Demokratie in Gefahr – auch in der Schweiz gebe es bereits solche Tendenzen, sagt der ehemalige Chefredaktor und SRG-Generaldirektor in Schaffhausen.
Hatten Sie ihr Handy heute schon in der Hand? Mit ziemlicher Sicherheit. Und haben Sie heute schon durch Instagram gescrollt? Wahrscheinlich, denn fast zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung ist täglich auf Social Media. Dabei sind Sie vermutlich auch auf die eine oder andere Schlagzeile gestossen. Sie lesen schliesslich gerade ein journalistisches Produkt. Doch fast jede zweite Person in der Schweiz tut das nicht mehr, also beschäftigt sich gar nicht mehr mit Nachrichten und journalistischen Inhalten.
«Nicht wenige Medienhäuser verfolgen eine völlig falsche Strategie», sagt einer, der seit Jahrzehnten in der Branche tätig ist: Roger de Weck. Er war Chefredaktor der deutschen Wochenzeitung «Zeit» und des «Tages-Anzeigers» und zuletzt für sieben Jahre Generaldirektor der SRG.
De Wecks Analyse: Journalistische Medien haben sich den sozialen Medien angepasst. Und zwar wegen des ökonomischen Drucks, der wegen weggebrochener Werbeeinnahmen entstanden sei. Vor einem grossen Publikum erläuterte er seine These am Montagnachmittag an der Seniorenuni in Schaffhausen. Medienhäuser würden nur noch produzieren, was geklickt werde. De Weck spricht von einem «Showprinzip». Alles werde personalisiert, schrecklich vereinfacht, emotionalisiert, und es sei ein Gut gegen Böse. «Es geht um Konflikte statt Kompromisse, wie sie eine liberale Demokratie braucht.»
«Die Themenauswahl passiert kommerziell statt essenziell.» Roger de Weck, ehemaliger Generaldirektor der SRG
Was meint de Weck damit genau? «Die Klicks werden maximiert, statt die Leserbindung zu stärken.» Doch das sei der falsche Weg. «Als seien Dezibel das Mass des Journalismus, erhebt er seine Stimme, die trotzdem weniger Gehör findet», analysiert de Weck in seinem Werk «Das Prinzip Trotzdem. Warum wir den Journalismus vor den Medien retten müssen». Und in Schaffhausen sagt er: «Bei einem beträchtlichen Teil der Medien hat das dazu geführt, reisserischer zu werden. Die Themenauswahl passiert kommerziell statt essenziell.»
Beispielsweise sei viel an Kultur- und Wirtschaftsberichterstattung gespart worden. «Damit wurden besonders treue Leser vernachlässigt.» Diese Ressorts hätten schon immer schon weniger Leserinnen und Leser gehabt, aber diese seien richtige Liebhaber gewesen.
Medienfreiheit in der Schweiz in Gefahr?
Roger de Weck spricht sich deutlich gegen diese von ihm genannte «Aufregungsökonomie» aus. Seine Lösung: Journalismus soll wieder seine eigentliche Aufgabe erledigen. «Journalismus ist nichts anderes als Informationen suchen, prüfen, analysieren, einordnen, gewichten, darstellen, erklären und eventuell kommentieren und bei Bedarf aktualisieren oder bei Fehlern korrigieren.»
Wo aber liegt das Problem, wenn sich der Journalismus nicht seinen eigentlichen Aufgaben widmet? Ein Blick in die USA zeigt es. Gemäss neusten Zahlen haben 50 Millionen US-Bürgerinnen und -Bürger keinen Zugang mehr zu einem Regionalmedium. Diese Menschen informieren sich auf Social Media. «Sie radikalisieren sich, und der Begriff dessen, was Journalismus ist, geht verloren», so de Weck. «Es sind die Gebiete, in denen Donald Trump besonders erfolgreich ist.» Weil es ihnen in die Karten spielt, schränken Autokraten wie er Medien zudem weiter ein. Für de Weck ist klar: «Wer die Medienfreiheit bekämpft, bekämpft auch die Demokratie.»
De Weck warnt, man müsse gar nicht so weit weg blicken. Auch in der Schweiz sei die Medienfreiheit in Gefahr. Totalitär regierende Männer wie Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán und Serbiens Präsident Alexander Vučić, die in ihren Ländern die Medien unter Kontrolle haben, würden hierher eingeladen, um in Luxushotels zu berichten, «und erhalten dabei Standing Ovations von den Spitzen einer Partei», kritisiert de Weck beispielsweise die «Weltwoche».
«Ich plädiere für finanzielle Hilfen»
Die Freiheit gelte es zu jedem Zeitpunkt zu verteidigen, so de Weck. Dazu gehöre, sich für den Journalismus einzusetzen – und zwar auch finanziell. Denn damit der Journalismus seine Rolle erfüllen könne, müsse in redaktionelle Ressourcen investiert werden. Regionalmedien fehle das Kapital laut de Weck schlicht. «Ich plädiere für finanzielle Hilfe für private Medienhäuser durch die öffentliche Hand.» Ansonsten drohe eine stärkere Medienkonzentration. «Politischer Föderalismus und medialer Zentralismus. Wollen wir das? Nein!»
«Freiheit ist das Gegenteil des Akkus in Ihrem Handy.» Roger de Weck, ehemaliger Chefredaktor
Auch dass reiche Leute Medien finanzierten, sei eine Gefahr. «In der Kraft ihres Reichtums beginnen sie Politik zu machen. Im Stillen sind sie die Geldgeber von Medien wie dem ‹Nebelspalter›. Wollen wir Medien, die die ganze Zeit auf Transparenz pochen, aber keinesfalls sagen wollen, wer sie finanziert? Nein!», sagt de Weck.
Der Journalismus müsse substanzieller werden, lautet zusammengefasst die Kritik an der Branche. Und die Politik müsse erkennen, dass sich Medien und Demokratie einander bedingten. Womit wir wieder bei Ihrem Handy wären. «Freiheit ist das Gegenteil des Akkus im Handy. Der Akku verbraucht sich, wenn man ihn nutzt. Freiheit aber vergeht, wenn man sie nicht nutzt.»