Aktuelles / Notizen

02.08.2011

Schaffhauser Stimmpflicht als Vorbild für die ganze Schweiz?


Ein Interlakner Gymnasiast hat mir für seine Maturaarbeit interessante Fragen gestellt!

1. Sind Sie der Meinung, dass die Schaffhauser Bürger ein grösseres Interesse an Politik haben oder schätzen Sie die Sanktion von drei Schweizerfranken pro verpasste Wahl/Abstimmung als so schmerzhaft ein, dass die Busse die hohe Stimm- und Wahlbeteiligung in Schaffhausen bewirkt?

CA: Sicher spielt die Abstimmungspflicht hinein. Doch natürlich besteht dadurch auch eine Abstimmungstradition in unserem Kanton. Die Leute interessieren sich für Politik und sicher hilft da auch die Ueberschaubarkeit mit und der Umstand, dass Behörden - Verwaltung - Bevölkerung sehr nahe sind und auch die Wege kurz sind. Auch wird in den "Stimmbürger-Nachwuchs", die Jugend, viel investiert an unseren Schulen mit Staatsbürgerkunde (Politische Bildung), politischen Talks mit bekannten Politikern etc. Die Busse ist mehr symbolisch und spielt mE nur wenig ins Abstimmungsverhalten hinein. Trotzdem ist es natürlich eine zumindest "emotionae Hürde": Ich bekomme eine Busse, wenn ich nicht an die Urne gehe und mich nicht entschuldige. Das Entschuldigen ist aber ganz einfach. Man kann seinen Stimmausweis vor oder nach dem Abstimmungstermin in der jeweiligen Gemeindekanzlei abgeben oder einsenden und gilt dadurch als entschuldigt. 

2. Ich habe gelesen, dass wenn jemand im Kanton Schaffhausen die Sanktionen für verpasste Wahlen nicht bezahlt, zwar eine Mahnung erhält, aber nicht betrieben wird. Stimm das? Falls ja, werden die Sanktionen dann überhaupt noch bezahlt und ernst genommen?

CA: Da muss man ehrlich sein. Ich weiss von einigen Gemeinden, die diese Bussenhandhabung eher lasch machen. Aufwand und Ertrag für Mahnung und gar Betreibung stehen natürlich in keinem Verhältnis! Ich glaube aber schon, dass die Bürger grundsätzlich diese Stimmpflicht ernst nehmen und nicht einfach fahrlässig alle Abstimmungen und Wahlen verstreichen lassen, um dann am Ende die gesammelte Rechnung für die Versäumnisse zu bezahlen.  

3. Was sagen Sie zu der These, dass die Stimmpflicht das Niveau der Ergebnisse senkt, da die Leute nur abstimmen um der Sanktion zu entgehen und sich gar nicht mehr über die Abstimmung/Wahl informieren?

CA: Nein, da widerspreche ich klar. Wir haben mündige Bürgerinnen und Bürger. Das Volk hat immer Recht. Das gilt in einer Demokratie. Es ist generell aber für alle Abstimmenden recht komplex immer bei allen Vorlagen auf Bundes-, Kantons- und Kommunalebene den Durchblick zu haben. Sicher lassen sich einige Abstimmende auch vom Bauchgefühl oder den Parolen resp. den Abstimmungswerbungen in den Medien leiten. Das gehört eben auch zu einer Demokratie, dass man sich die Meinung aufgrund von Ausseneinflüssen bildet. 

4. Eine Frage in die Gleiche Richtung: Leute, die sich zwar informieren, aber keine Präferenz haben, werden dazu gezwungen eine solche auszuwählen. Solche „Donkey Voters“ können laut einer Studie aus England das Wahlergebnis bis zu einem Prozent verfälschen. Was sagen Sie dazu? Erachten Sie dies als sinnvoll?

CA: In Abstimmungen hat man immer einen Graubereich resp. einen Streubereich des Ergebnisses. Aergerlich ist dies natürlich für die Verliererseite, wenn eine Abstimmung oder Wahl ganz knapp ausgeht. Doch ich lasse mich immer vom Grundsatz leiten, dass jede Minute, in der ich mich über etwas aufrege, mir 60 Sekunden Fröhlichkeit und Harmonie wegnimmt J
Also: Darüber zu philosophieren ist eigentlich müssig, wenn man sich wie gesagt vom Grundsatz "Das Volk hast immer Recht" leiten lässt. Ich habe lieber eine Stimmbeteiligung mit 70% mit einigen Prozenten Donkey Voters, als eine lausige Stimmbeteiligung von 19%, wie das schon im Kanton Genf vorgekommen ist.
 

5. Was sagen Sie dazu, dass der Stimmzwang einen Eingriff in den persönlichen Freiheitsbereich darstellt und somit eine Verletzung der Persönlichkeitsrechte ist?

CA: Da halte ich Null Komma Null davon. Ich bin ein liberal denkender, freiheitsliebender Mensch und finde trotzdem, dass jeder Bürger, jede Bürgerin neben seinen Rechten auch Pflichten haben muss in unserem Staat, in unserer Gesellschaft, in unserem Zusammenleben. Selbstverständlich bin ich für die Einführung des Stimmzwanges im ganzen Land Schweiz nach dem Schaffhauser Modell. Ich bin auch dafür, dass man unbedingt das Abstimmen noch einfacher macht und den neuen Mediengewohnheiten anpasst. Der hochstilisierte gute alte Gang an die Urne hat ausgedient und entspricht längst nicht mehr der Realität. Das zeigen die stark steigenden Zahlen der brieflich Abstimmenden. Ich mache das persönlich auch immer so. Das Abstimmen wird einem heute doch recht einfach gemacht. Es soll mir keiner kommen und sagen, dass das aufwändig und mühsam sei! Ich befürworte auch die e-voting Bemühungen und Abstimmungsmöglichkeiten per Internet und SMS. Als langjähriger Gemeindepräsident, der in diese Versuchsanordnungen des Bundes involviert war, weiss ich aber auch um die Hürden rund um Log-In und Sicherheit / Missbrauch etc. 

6. Abschlussfrage: Ich bin aufgrund nackter Zahlen zum Schluss gekommen, dass die Stimm- und Wahlpflicht der sinnvollste Weg ist, die Stimm- und Wahlbeteiligung in der Schweiz zu erhöhen. Sind Sie der Meinung, dass deswegen der Stimmzwang auf nationaler Ebene auch eingeführt werden sollte oder sind Sie persönlich ein Gegner des Stimmzwangs?

CA: Siehe Antwort 5! Ich bin ein absoluter Befürworter des Stimmzwanges nach Schaffhauser Vorbild. Da ist Schaffhausen in der Tat Vorbild für die ganze Schweiz!