Aktuelles / Notizen

03.10.2012

Grosses Interview in den SN


RR Christian Amsler zum Lektionenabbau bei ESH3

Regierungsrat Christian Amsler, Vorsteher des Erziehungsdepartements: «Um sieben bis acht Millionen Franken einzusparen, braucht es einschneidende Massnahmen.» Bild Selwyn Hoffmann

Christian Amsler verteidigt die Sparmassnahmen bei der Bildung

Wegen der Sparmassnahmen bei der Bildung, die die Regierung plant, ist Regierungsrat Christian Amsler unter Beschuss geraten. Jetzt bezieht er im SN-Interview Stellung.

von Erwin Künzi

850 000 Franken jährlich sollen durch die Reduktion der Lektionen in der Schule eingespart werden. Das ist nur eine der Sparmassnahmen im Bereich der Bildung, die die Lehrerschaft auf die Barrikaden und zu harscher Kritik am Erziehungsdirektor getrieben haben. Jetzt nimmt Regierungsrat Christian Amsler dazu Stellung. Im SN-Interview erklärt er: «Wir haben die Aufgabe, ab dem Jahr 2015 den Staatshaushalt um die bekannten 24,7 Millionen Franken jährlich zu entlasten. Und da ist auch die Bildung betroffen. Die Regierung ist klar der Meinung, dass man die Bildung nicht einfach ausnehmen kann. Es gibt eine gewisse Opfersymmetrie in der gesamten Entlastungsübung.»

Departement spart 580 000 Franken

Gegen den Vorwurf, bei der Bildungsverwaltung werde nicht gespart, wehrt sich Amsler entschieden und verweist auf diverse Sparmassnahmen in seinem Departement in Höhe von rund 580 000 Franken pro Jahr. Für Amsler kommt die Kritik nicht unerwartet: «Dem Erziehungsrat wie auch der Regierung ist völlig klar, dass sich hier keine Lorbeeren gewinnen lassen, wenn man einen einschneidenden Lektionenabbau machen muss.» Er sei aber der Meinung, dass der Erziehungsrat beim Streichen den richtigen Weg gefunden habe.

«Mir ist klar, dass bei jeder Lektion, die gestrichen wird, man sagen kann, das ist falsch, oder das ist richtig»

 Das grosse Interview:

Der Kanton muss sparen. Das gilt auch für das Erziehungsdepartement. Die angekündigte Reduktion der Lektionenzahl ist auf harsche Kritik gestossen. Regierungsrat Christian Amsler nimmt dazu Stellung.

Christian Amsler, Sie sind im Zusammenhang mit den Sparmassnahmen der Regierung im Bildungswesen zum Teil hart kritisiert worden. So wurde Ihnen von Lehrerseite her vorgeworfen, vor der Kantonalkonferenz der Lehrerschaft hätten Sie die Sparmassnahmen im Bildungswesen als «unsäglich» bezeichnet, in einer Kolumne eines Gratisanzeigers aber als «vertretbar». Was gilt jetzt?

Christian Amsler: Wenn man Aussagen auf einzelne Wörter herunterbrechen will, so kann man immer einzelne Wörter gegeneinander ausspielen. Fakt ist, dass Herr Kammer mir vorgeworfen hat, ich hätte die erste Aussage vor den Wahlen gemacht und mich nachher anders geäussert. Die Schaffhauser Regierung hat überhaupt nicht auf die Wahlen geschielt, als sie das nötige Massnahmenpaket ESH3 lanciert hat. Zudem war die angesprochene Kantonalkonferenz nach und nicht vor den Wahlen. Fakt ist, dass ich in dem Artikel klar auf die übergeordnete Aufgabe der Schaffhauser Regierung verwiesen habe, die zur Schnürung des Massnahmenpakets ESH3 geführt hat. An der Kantonalkonferenz, das ist wahr, habe ich die Sparanstrengungen, die übrigens landauf, landab im Gange sind, als «schwierig» betitelt. Es ist kein Geheimnis, dass ich in meinem innersten Herzen generell mit einem Bildungsabbau Mühe habe. Aber es gibt eben auch übergeordnete Interessen. Und da ist auch die Bildung nicht davon ausgenommen, wenn es darum geht, den Staatshaushalt wieder in Ordnung zu bringen. Da stehe ich in meiner Funktion als Regierungsrat in der Pflicht.

Aber ist es richtig, dass Sie das Wort «unsäglich» gebraucht haben?

Amsler: Das Wort «unsäglich» mag ungeschickt gewählt gewesen sein. Aber ich stehe dazu, ich habe es gebraucht, es gibt ja genug Zeuginnen und Zeugen, die es gehört haben. Aber es muss, von beiden Seiten, um die Sache gehen, und es darf nicht um eine Auseinandersetzung Kammer–Amsler gehen, das will ich nicht. Herr Kammer würde gut daran tun, den Gesamtkontext zu sehen, und es wäre wünschbar, man könnte auf einer sachlichen Ebene diskutieren.

Also bleiben wir auf der sachlichen Ebene: Auf jeder Stufe soll ab dem Schuljahr 2013/14 eine Lektion gestrichen werden, so in der 1. und 2. Klasse das Fach Singen/Musik. Wie geht das zusammen mit dem Verfassungsartikel zum Musikunterricht, der am 23. September auch im Kanton Schaffhausen vom Volk gutgeheissen würde?

Amsler: Das war schon speziell, dass das praktisch gleichzeitig kam. Aber als der Erziehungsrat in grosser Arbeit den Entscheid fällen musste, welche Fächer betroffen sein werden, war das vor dieser Abstimmung und deshalb noch kein Thema. Wie dieser Verfassungsartikel dereinst umgesetzt wird, steht noch in den Sternen. Ich darf aber daran erinnern, wenn wir vom Fach Musik sprechen, dass wir hier in den letzten Jahren eher mehr gemacht haben, kam doch in der Unterstufe die musikalische Grundschule dazu. Und beim Fach Singen sind wir der Überzeugung, dass die Klassenlehrerin sehr wohl den Abbau dieser einen Singstunde kompensieren kann, wenn sie im Unterricht pädagogisch geschickt die Musik vermehrt auch in andere Fächer einbaut. Aber: Es ist schwierig, wenn man jetzt über jedes einzelne Fach, das reduziert werden soll, diskutiert, denn zu jedem Fach kann man Pro und Contra finden. Und alle haben gewisse Vorlieben, finden, da kann man abbauen und da nicht, und entsprechend treffen die Reaktionen bei mir ein. Ich werde eingedeckt mit gut und weniger gut gemeinten Ratschlägen. Das habe ich aber so erwartet, und dessen war sich auch der Erziehungsrat bewusst. Salopp könnte man sagen: Was auch immer man vorschlug, es war alles falsch.

Dann wollen wir mal die einzelnen Fächer beiseitelassen und kommen zu einem anderen Vorwurf. Der lautet, dass die Reduktion vorgenommen wurde, ohne den Lehrplan 21 abzuwarten. Wenn der komme, müsse alles wieder geändert werden. Stimmt das?

Amsler: Das trifft in meinen Augen nicht zu. Man kann nicht wegen des Lehrplans 21 Arbeiten oder Entwicklungsschritte, die die Kantone ohnehin machen müssen, stoppen. Der Lehrplan 21 hat nicht zum Ziel, genau auf die Stunde vorzuschreiben, wie ein Kanton die Lehrplaninhalte einsetzt. Der Lehrplan 21 gibt 80 Prozent des Inhalts vor, beim Rest sind die Kantone frei. Darum sind Änderungen im Vorfeld des Lehrplans 21 durchaus möglich. Zudem ist der Lehrplan 21 ein auf lange Zeit angelegtes Projekt, das erst 2014 umgesetzt werden soll, wobei ich der Meinung bin, dass es noch zu Verzögerungen kommen wird. Daher: Wir mussten jetzt entlasten, und wenn wir das im Schulumfeld im geforderten Umfang von 7 bis 8 Millionen Franken tun müssen, geht das nur über Lehrerpensen. Das musste jetzt geschehen, und wir konnten nicht zuwarten, bis der Lehrplan 21 kommt.

Wie steht denn der Kanton Schaffhausen nach dieser Sparrunde bei den Lektionen im interkantonalen Vergleich da?

Amsler: Wir stehen immer noch gut da. Bei der Oberstufe belegen wir keinen der vorderen Plätze. Aber auf der Primarstufe, wo ja der grösste Teil des Abbaus geplant ist, steht eindeutig fest, dass auch danach die Kinder im Kanton Schaffhausen immer noch mehr zur Schule gehen als die Kinder in anderen Kantonen.

Die Lehrerschaft fordert, man solle besser bei der Bildungsverwaltung sparen, anstatt Lektionen abzubauen. Wird denn dort nicht gespart?

Amsler: Von einem Lehrer erhielt ich eine durchaus spezielle Reaktion: Er sehe ein, dass ein Abbau nötig sei, aber dieser dürfe nicht bei den Lektionen erfolgen. Er schlug deshalb vor, dass man allen Lehrkräften 50 Franken am Lohn abziehen solle, was eine Einsparung von 650 000 Franken bringen würde. Aber die Frage betraf ja die Bildungsverwaltung. Da muss man klar sagen, dass im Rahmen von ESH3 diverse Massnahmen die Bildungsverwaltung betreffen (siehe auch Kasten auf dieser Seite). Das Erziehungsdepartement muss einschneidend sparen, und das in einer Zeit, in der wir es mit immer komplexeren Fällen, etwa bei den Rekursen, zu tun haben, die eigentlich einen Ausbau rechtfertigen würden. Sie sehen, wir haben, wie übrigens die anderen Departemente auch, in der Verwaltung des Erziehungsdepartements einen Abbau im Rahmen von ESH3 geplant. Es ist sehr einfach, so salopp Einsparungen bei der Bildungsverwaltung zu fordern. Die Leute realisieren oft nicht, was die Mitarbeiter in der Verwaltung generell, nicht nur bei mir, leisten. Einige Beispiele: Wer sorgt dafür, dass die 1000 Lehrkräfte jeden Monat ihren Lohn fristgerecht erhalten? Wer betreibt die Schulzahnklinik und bietet so eine wichtige Dienstleistung für Eltern und Kinder? Wer rückt aus, wenn es in den Gemeinden draussen Probleme gibt, wenn Lehrkräfte, Schulvorsteher oder Schulleiter Beratung brauchen? Das sind dann die viel gescholtenen Leute vom Inspektorenteam. Ich sage klar, von denen haben wir nicht zu viele, im Gegenteil, was die Zahl der Fälle betrifft, eher zu wenige. Unsere Ressourcendecke ist dünn, wir sind nicht überverwaltet im Kanton Schaffhausen. Es ist belegbar, dass wir über die letzten zehn Jahre keinen markanten Anstieg von Stellen hatten. Und dass die Zeiten, als im Kanton Schaffhausen ein einziger Schulinspektor mit dem Rucksack auf dem Rücken über Land zog, definitiv vorbei sind in diesem komplexen gesellschaftlichen Umfeld – das ist auch klar.

Die Lehrerschaft erwägt, allenfalls mit einer Volksinitiative gegen den Lektionenabbau vorzugehen. Was sagen Sie dazu?

Amsler: Eine Volksinitiative ist ein legitimes Mittel. Dazu gibt es diverse Beispiele aus der letzten Zeit. Jede Interessengruppe kann gegen etwas, was ihr nicht gefällt, antreten, seien das Ärzte, Apotheker, Lehrer oder Musikliebhaber. Das gehört zu unserem demokratischen politischen System.

Waren Sie überrascht, dass Sie für den geplanten Lektionenabbau so viel Prügel einstecken mussten?

Amsler: Wir haben damit gerechnet, dass von verschiedenster Seite scharfe Kritik kommen würde. Der Stadtschulrat hat sich ja auch verlauten lassen. Dem Erziehungsrat wie auch der Regierung ist völlig klar, dass sich hier keine Lorbeeren gewinnen lassen, wenn man einen einschneidenden Lektionenabbau machen muss.

Daher möchte ich zum Schluss noch einmal von Ihnen hören, warum dieser «einschneidende Lektionenabbau», wie Sie selber sagen, unumgänglich ist.

Amsler: Die Regierung hat sehr solide und sehr breit das gesamte Staatswesen durchleuchtet. Das geschah nicht nur beim Erziehungsdepartement, sondern wir taten das bei allen Departementen. Uns fehlen jährlich 40 Millionen Franken in der Staatskasse, und zwar bei der laufenden Rechnung. Es geht nicht an, das mit den Investitionen zu vermischen. Wir haben die Aufgabe, ab dem Jahr 2015 den Staatshaushalt um die bekannten 24,7 Millionen Franken jährlich zu entlasten. Und da ist auch die Bildung betroffen. Die Regierung ist klar der Meinung, dass man die Bildung nicht einfach ausnehmen kann. Es gibt eine gewisse Opfersymmetrie in der gesamten Entlastungsübung. Und ich habe es eingangs gesagt: Wenn man sieben bis acht Millionen Franken einsparen muss, muss man nicht meinen, das ginge mit irgendwelchen Kleinbeträgen, sondern es braucht einschneidende Massnahmen, und das führt dann zum Abbau von Lektionen. Es gibt nämlich nur drei Varianten, um zu sparen: Man kann den Lehrern sagen, ihr müsst mehr arbeiten für den gleichen Lohn, man kann die Klassengrössen heraufsetzen, also über eine bessere Zusammenarbeit unter den Gemeinden die Schülerzahlen optimieren, oder man streicht beim Lektionenangebot. Letzteres hat die Regierung getan, weil sie der Meinung war, dass das verantwortbar sei. In seiner Medienmitteilung hat der Erziehungsrat klar zum Ausdruck gebracht, dass er einen einseitigen Abbau bei einer Schulstufe oder bei einem Fach verhindern wollte. Ich bin der Meinung, dass der Erziehungsrat hier den richtigen Weg gefunden hat, auch wenn mir klar ist, dass bei jeder Lektion, die gestrichen wird, man sagen kann, das ist falsch, oder das ist richtig. Da gehen die Meinungen natürlich diametral auseinander.

«Es ist kein Geheimnis, dass ich in meinem innersten Herzen generell mit einem Bildungsabbau Mühe habe»

Sparpaket ESH3: So spart die Bildungsverwaltung

Hausdienste BBZ Beim Berufsbildungszentrum (BBZ) werden die Hausdienste um 40 Stellenprozente gekürzt. Ersparnis: 46 000 Franken.
Rechtsdienst des Erziehungsdepartements Kürzung um 30 Stellenprozente. Ersparnis: 35 000 Franken. Inspektorat/Schulaufsicht Kürzung um 50 Stellenprozente. Ersparnis: 95 000 Franken.
Schulische Abklärung und Beratung Kürzung um 5 Stellenprozente. Ersparnis: 10 000 Franken. Schulzahnklinik/Kieferorthopädie Kürzung um 168 Stellenprozente. Ersparnis: 320 000 Franken. Berufsbildung/Berufsinformationszentrum Kürzung um 50 Stellenprozente. Ersparnis: 75 000 Franken. Insgesamt Ersparnis von 581 000 Franken pro Jahr.