Aktuelles / Notizen

24.10.2014

Interview zu EP14


(schaffhauser az)

Regierungspräsident Christian Amsler nimmt Stellung zum Widerstand gegen ESH4

Hier findet sich zum Download die PDF Version des Interviews.

Christian Amsler, rund 1000 Personen haben am Samstag an einer Kundgebung gegen das Sparpaket skandiert: 'ESH4 – nicht mit mir'. Wird der Protest etwas bewirken?
Es ist natürlich ein Bürgerrecht, für eine Kundgebung auf die Strasse zu gehen. Wir haben dies sehr wohl zur Kenntnis genommen und an der Regierungsratssitzung besprochen. Dass sich eine Empörungsgruppe bildet rund um die Juso und die AL, welche das Ganze vielleicht auch politisch für sich ausschlachten, hat mich und die Regierung nicht wirklich überrascht, denn wir haben natürlich mit Opposition gerechnet. Die Bezeichnung 'ESH4' ist wohl auf den Reim 'nicht mit mir' zurückzuführen, wir bezeichnen das Paket aber als 'EP14' beziehungsweise Entlastungsprogramm 2014.

Warum heisst das Paket nicht 'ESH4' sondern 'EP14', anders als die ersten drei Sparpakete?
Die Ausgangslage hat sich verändert. Wir waren in einem Dauerprozess von Sparpaketen einerseits und Budgetprozessen andererseits, bei denen wir den Staatshaushalt durchaus schmerzhaft zusammengestrichen haben. Nun hat sich die Regierung in der Pflicht gesehen, ein nachhaltiges, auf längere Sicht ausgerichtetes Entlastungspaket zu schnüren. Weil 40 Millionen Franken im Staatshaushalt fehlen, haben Regierung und Parlament mit dem Benchmarkbericht von BAK Basel einen etwas anderen Weg beschritten, und wir haben auf der Basis dieser Leitlinien gearbeitet. Mir ist wichtig, zu sagen, und da spreche ich auch explizit für den Bildungsbereich: Es wird einen Abbau geben müssen, und das heisst, wir können weniger Leistungen anbieten.

Wird der Protest bewirken, dass die Regierung das Paket ganz oder teilweise zurücknimmt?
Klar ist, dass die Regierung das Entlastungspaket in keiner Art und Weise auch nur einen Millimeter anpassen wird, denn sie kann das gar nicht. Das Geschäft ist nun in der Obhut des Kantonsrats. Die Regierung muss die Verantwortung wahrnehmen, mittel- und langfristig einen ausgeglichenen Haushalt zu erreichen. Diese Hausaufgaben haben wir mit einem ausgewogenen, abgerundeten Gesamtpaket, das alle Bereiche betrifft, gemacht. Deshalb wollen wir eigentlich auch gar nicht, dass einzelne Massnahmen isoliert betrachtet werden.

Die grösste Einzelmassnahme ist der erneute Versuch, die Prämienverbilligung zu kürzen. Erst vor zwei Jahren hat sich die Bevölkerung mit der Annahme einer Initiative dagegen ausgesprochen. Kann man einen Volksentscheid nach so kurzer Zeit einfach wieder umstos­sen?
Die Frage, wie schnell es opportun ist, ein politisches Thema erneut auf die Agenda zu bringen, stellt sich immer wieder. Es ist überhaupt nicht so, dass die Regierung diesen Volksentscheid nicht akzeptiert, aber wir müssen darauf hinweisen, dass die Prämienverbilligung ein riesiger Posten ist, bei dem die Kosten viel zu hoch sind.

Besonders stark ist der Bereich Pflege betroffen, was zahlreiche Entlassungen zur Folge hat und sich laut den Pflegerinnen und Pflegern auf die Qualität der Betreuung auswirkt. Setzt man für eine ausgeglichene Rechnung die Gesundheit der Pflegebedürftigen aufs Spiel?
Die Regierung ist überzeugt, dass die Massnahmen keine massiven Einschränkungen zur Folge haben. Die Leute brauchen keine Angst zu haben, sie würden künftig nicht mehr hochkompetent gepflegt. Es braucht aber auch im Pflegebereich einen Leistungsabbau, denn das Erbringen der gleichen Leistung mit weniger Personal ist nicht möglich. Dafür steigern wir die Effi­zienz mit der Schliessung des Pflegezentrums im Geissbergwald. Dabei handelt es sich nicht um eine ersatzlose Streichung, denn die Abteilung wird in die Spitäler Schaffhausen integriert und das Pflegeheim für eine neue Nutzung freigespielt.

In Ihrem Bildungsdepartement stösst besonders der Vorschlag auf Unverständnis, bei der Volksschule 14 Pflichtlektionen zu streichen.
Diese Massnahme ist nicht nur für mich als Bildungsdirektor, sondern für die ganze Regierung 'contre cÏur'. Der Kanton Schaffhausen hat aber mit Abstand die teuerste Volksschule der Schweiz, wir leisten uns eine super Bildung. Aber auch der Bildungsbereich muss einen Beitrag an das Sparziel leisten. Anstatt die Lehrerinnen und Lehrer mit höheren Pflichtpensen oder gar tieferem Lohn zu bestrafen, haben wir uns für eine Reduktion der Pflichtstunden entschieden. Als weitere Möglichkeit kann man die Klassengrössen optimieren, was wir mit der Kantonalisierung der Volksschule anstreben. Die Klassen sind im Durchschnitt sehr klein, deshalb können wir mit ein bis zwei, eventuell drei Schülerinnen und Schülern mehr pro Klasse grosse Einsparungen erreichen. Diese zwei Massnahmen haben natürlich zur Folge, dass weniger Lehrerstellen zur Verfügung stehen, aber wir können viele Abgänge ohne Kündigungen abwickeln.

Cordula Schneckenburger, die Präsidentin des Lehrervereins, kritisierte letzte Woche in der 'az', die Regierung mache keine Vorschläge, welche Lektionen abgebaut werden sollen.
Wo man die Lektionen einsparen soll, ist eine sehr anspruchsvolle Frage. Dafür ist der Erziehungsrat zuständig, und die Lehrer sollen konstruktiv mitreden können.

Neben der Volksschule wird auch an der Kantonschule und im Berufsbildungsbereich gespart. Werden junge Schaffhauserinnen in Zukunft schlechter für ihr Studium oder ihren Beruf gerüstet sein?
Die Massnahmen werden nicht dazu führen, dass wir im Vergleich mit anderen Kantonen ins Hintertreffen kommen. Die Kanti Schaffhausen gehört klar zu den teuersten Gymnasien der Schweiz, was die Kosten pro Kopf angeht – fairerweise muss man dazu aber sagen, dass wir mit 16 Prozent eine relativ tiefe Maturitätsquote haben. Wir haben aber heute ein gewaltiges Angebot gerade im Bereich von Freifächern, und auch die Kanti wird nicht ins Mittelfeld abrutschen. Die Streichung der Handelsmittelschule ist schwierig für uns, denn wir haben sie mit Stolz aufgebaut, und sie ist durchaus erfolgreich. Zur HMS gibt es aber klare Alternativen, und die Jungen werden nicht einfach vor dem Nichts stehen. Dennoch ist es natürlich ein Leistungsabbau. Es tut weh, dass wir die HMS opfern müssen, doch es ist in meinen Augen unumgänglich.

Die Regierung betont gerne, der Kanton müsse für Familien attraktiv sein – nun wird aber die Prämienverbilligung gekürzt, bei der Bildung wird empfindlich gespart und Ehepaare sollen stärker besteuert werden. Wie passt das zusammen?
Angesichts der demografischen Entwicklung ist es sicher einschneidend, in diesem Bereich Massnahmen ergreifen zu müssen. Aber noch einmal: Wir haben nach wie vor ein gutes Bildungswesen. Aktuell ist beispielsweise die Vorlage für Tagesstrukturen in der Vernehmlassung. Wir müssen die Hausaufgaben machen, damit wir wieder Luft und Kapazität haben, um Neues in Sachen Fami­lienfreundlichkeit zu ermöglichen. Ich bin überzeugt, dass sich eine Familie nicht dagegen entscheiden wird, nach Schaffhausen zu ziehen, nur weil wir nun in bestimmten Bereichen abbauen müssen. Aber es stimmt ein wenig, dass sich der Leistungsabbau und neue Attraktivierungen gegenseitig ein Stück weit aufheben.

Nur 26 Prozent des Defizits sollen mit steuerlichen Massnahmen gedeckt werden. Die Sparmassnahmen wären weniger einschneidend, wenn man einen grösseren Anteil mit höheren Steuern decken würde.
Als Politiker bin ich überzeugt, dass beide Ratsseiten Kompromisse machen müssen. Rein mit steuerlichen Massnahmen können wir das Defizit von 40 Millionen Franken nicht auffangen. Ich erinnere daran: Ein Steuerprozent entspricht etwa 2.4 Millionen. Von der linken Ratsseite steht die Forderung im Raum, man müsse die Hälfte des Defizits mit Steuern decken, und die extreme bürgerliche Seite will wohl überhaupt keine Steuererhöhung. So kommen wir nicht zu einer Lösung. Ich hoffe, dass sich beide Seiten aufeinander zu bewegen und ich bin der Meinung, mit einem Viertel sind wir gut unterwegs.

Die ersten Sparpakete ESH1 und ESH2 wurden geschnürt, um die Steuern zu senken. Nun geht es darum, den Staatshaushalt wieder zu sanieren – man könnte also die Steuersenkungen auch rückgängig machen.
In den letzten Jahren haben wir zehn – aus meiner Sicht – richtige Schritte gemacht, um die Steuern für natürliche und juristische Personen zu optimieren. Mit dieser Strategie hatten wir auch Erfolg, was man gerne etwas ausblendet: Die Steuereinnahmen sind in dieser Zeit gewachsen. Die Regierung hat aber auch bewiesen, dass sie in einer schwierigen Finanzlage trotz bürgerlicher Mehrheit Schritte in die andere Richtung in Betracht zieht. Nun schlagen wir eine temporäre Defizitbrücke in Form einer Steuerfusserhöhung von drei Prozent und weitere steuerliche Massnahmen wie die Anpassung des Pendlerabzuges und des Ehepartnerdivisors vor.

Das 'Bündnis Zukunft Schaffhausen', das die Kundgebung gegen ESH4 organisierte, wirft der Regierung vor, keine zukunftsträchtige Strategie zu haben. Was entgegnen Sie?
Es tut etwas weh, wenn man uns Konzeptlosigkeit vorwirft, denn die Strategie der Regierung ist in den Legislaturzielen klar ausgewiesen. Diese lauten: Ausgleich der in Schieflage geratenen Kantonsfinanzen, eine dringend notwendige Strukturdiskussion, die Energiewende, die demografische Entwicklung als ganz grosses, überlagerndes Thema und generelle Ressourcenfragen in den Bereichen öffentlicher Verkehr und Bauinvestitionen, Spitalsanierung und Polizei- und Sicherheitszentrum. An diesen fünf Schwerpunkten arbeiten wir permanent und richten unsere Vorlagen darauf aus.