Aktuelles / Notizen

19.10.2018

Artikel NZZ


Bundesratskandidatur Amsler

amsler_kandidatur_br 2018

Christian Amsler am Donnerstagabend vor den Schaffhauser FDP-Delegierten, die ihn als Bundesratskandidat nominierten. (Bild: Keystone/Patrick Huerlimann)

Christian Amsler komplettiert das FDP-Trio
Auch der Schaffhauser Regierungspräsident will Bundesrat werden: Die kantonale FDP hat Christian Amsler am Donnerstagabend nominiert. Karin Keller-Sutter bleibt klare Favoritin des FDP-Trios.
Jörg Krummenacher, Schaffhausen18.10.2018, 19:53 Uhr
 
Nun sind’s drei: Nach der sankt-gallischen Ständerätin Karin Keller-Sutter und dem Nidwaldner Ständerat Hans Wicki hat auch der Schaffhauser Regierungspräsident Christian Amsler seine Bewerbung für die Nachfolge von Johann Schneider-Ammann angekündigt. Die FDP Schaffhausen hat ihn an ihrer Parteiversammlung vom Donnerstagabend einstimmig zuhanden der FDP-Bundeshausfraktion nominiert.
 
Schaffhausen durfte noch nie
Es ist vielsagend, in welch demütige Tonalität viele Kandidaten ihre Ambitionen für die Landesregierung verkleiden. «Ich möchte diesem Land etwas zurückgeben», sprach Peter Hegglin, als er jüngst in den Sonntagsmedien seine Kandidatur für die CVP öffentlich machte. Christian Amsler setzt nun wie Hans Wicki einen anderen Akzent: Beide sind Bewerber aus jenen fünf Kantonen, die noch nie im Bundesrat vertreten waren. Entsprechend stellen sie in den Vordergrund, dass es höchste Zeit sei, dass Schaffhausen (beziehungsweise Nidwalden) endlich einmal in die Landesregierung einziehe. In den vergangenen Jahren, als es jeweils um die Nachfolge eines SVP-Bundesrats ging, versuchte es auch Ständerat Hans Germann für Schaffhausen – dreimal vergebens.

Die Schaffhauser FDP schickt mit Christian Amsler, so Parteipräsident Marcel Sonderegger, «einen glaubwürdigen Kandidaten in dieses Abenteuer Bundesratskandidatur». Amsler selbst hat sich beim Biken und Wandern in den Alpen für die Kandidatur entschieden. Er will damit innerhalb der FDP ein Zeichen für Vielfalt und demokratische Auswahl setzen – in einer Partei, die mehr «als nur Fragen der Finanzen, der Steuern und der Wirtschaft» umfasse: «Ich meine, dass ich auch für eine FDP des Brückenbauens, der gesellschaftlichen Fragen, der Kinder und Jugendlichen, der Familie, der Bildung, der Umweltfragen stehe.» Gleichzeitig anerkennt er ausdrücklich den Frauenanspruch und die Kandidatur von Karin Keller-Sutter. Mit dieser stehe «eine ausgezeichnete Kandidatin bereit, die sicherlich eine sehr gute und würdige Bundesrätin abgeben würde», erklärte Amsler vor den FDP-Delegierten.
 
Pädagoge mit Führungserfahrung
Auch Christian Amsler wäre mit 54 Jahren im besten Bundesratsalter. Seit Frühling 2010 sitzt er als Erziehungsdirektor in der Schaffhauser Regierung. 2012 wurde er mit Bestresultat wiedergewählt, 2016 mit dem zweitbesten Ergebnis der Kandidierenden. Bildung ist das Elixier des derzeitigen Regierungspräsidenten: Der Lehrer war vor seiner Wahl in die Regierung Prorektor der Pädagogischen Hochschule Schaffhausen. Von 2013 bis 2016 leitete er die Konferenz der Erziehungsdirektoren der Deutschschweiz und machte sich für die Umsetzung des Lehrplans 21 stark. Neun Jahre war er Präsident seiner Wohngemeinde Stetten, er leitete die Kantonsratsfraktion. Im Militär brachte er es bis zum Oberst.

Seit 29 Jahren ist Amsler verheiratet – mit einer Lehrerin, er hat drei erwachsene Kinder. Hat er einmal genug von der Politik, widmet er sich seinen Wildbienen, setzt sich in den Weidling und geniesst den Rhein oder hört Musik, am liebsten Jazz. Einst turnte er in der Jugendriege, wo er mit Vorliebe den Handstand machte.
 
Ohne «Stallgeruch»
Diskussionsteilnehmer nannten Amslers Kandidatur an der FDP-Delegiertenversammlung «charmant» und lobten ihn, der sich auch in bestem Französisch äusserte, als sehr kommunikativ und führungskompetent. Amsler selbst sieht sich als versierten, vielseitigen und erfahrenen Exekutivpolitiker und hebt seine nationale wie internationale Vernetzung hervor. Doch trotz seiner Profilierung in der nationalen Bildungspolitik, trotz seinem derzeitigen Präsidium der Hochrheinkommission und der Internationalen Bodenseekonferenz: Ihm fehlt im Gegensatz zu Keller-Sutter und Wicki der «Stallgeruch» des Bundeshauses. Die Chance, dass er in die Landesregierung einziehen könnte, ist entsprechend gering einzuschätzen – geringer noch als jene von Hans Wicki. Immerhin: Sollte die Wahl der Favoritin Keller-Sutter aus irgendeinem Grund scheitern, müsste – zumindest aus Sicht der gegenwärtig nicht im Bundesrat vertretenen Ostschweiz – Christian Amsler zum Handkuss kommen.

Die Karriere des umgänglichen «Chrigel», wie er von Freunden genannt wird, weist keine gröberen Kleckse auf. Doch mehrfach stand er in den letzten Jahren, meist im Kreis der Schaffhauser Gesamtregierung, im Gegenwind, beispielsweise im Rahmen der Sparprogramme. Immer wieder kam es auch zu Konflikten zwischen Regierung und Parlament, eine Phase, in der das Vertrauen der Bevölkerung in die Behörden litt und eine Reihe von Volksabstimmungen verloren gingen.

Eine Wahl Christian Amslers in den Bundesrat wäre jedenfalls eine grosse Überraschung – auch für ihn. Dann würde er ihn gewiss machen: den Handstand. Er beherrscht ihn immer noch. 

Copyright © Neue Zürcher Zeitung AG. Alle Rechte vorbehalten. Eine Weiterverarbeitung, Wiederveröffentlichung oder dauerhafte Speicherung zu gewerblichen oder anderen Zwecken ohne vorherige ausdrückliche Erlaubnis von Neue Zürcher Zeitung ist nicht gestattet.